Zeuge: Schily hat Aufklärung nicht behindert
Berlin: (hib/KOS) Das Schweigen von Ex-Innenminister Otto Schily über ein Gespräch mit Daniel Coats, in dessen Verlauf der US-Botschafter den SPD-Politiker schon Ende Mai 2004 über die Verschleppung Khaled El-Masris unterrichtete, hat aus Sicht Gerhard Schindlers vom Innenministerium die im Juni jenes Jahres beginnenden Untersuchungen in diesem Fall nicht behindert. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zur damaligen Entführung des Deutsch-Libanesen seien "auf vollen Touren gelaufen", erklärte am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss der Mitarbeiter des Innenministeriums, der bei dem Treffen zwischen Schily und Coats zugegen war. Hätte Schily seine Informationen weitergegeben, wäre die Aufklärung nicht vorangebracht worden, so der Zeuge. Der beim Jahreswechsel 2003/2004 in Mazedonien festgenommene El-Masri war zwischen Januar und Mai 2004 von der CIA rechtswidrig nach Afghanistan verschleppt worden. Der Ausschuss prüft, ob deutsche Stellen bis hin zur Regierung frühzeitig über das Kidnapping des fälschlicherweise unter Terrorverdacht geratenen Deutsch-Libanesen unterrichtet und in diese Aktion verwickelt waren.
Unter Hinweis auf Geheimhaltungspflichten, die während der Sitzung auch von Regierungsvertretern ins Feld geführt wurden, wollte Schindler nähere Angaben über das Gespräch zwischen Schily und Coats und dessen Umstände entgegen den Forderungen der Opposition nur hinter verschlossenen Türen machen. Bei den seinerzeitigen Erläuterungen des US-Botschafters gegenüber Schily habe es sich um eine "nachrichtendienstliche Information" gehandelt, so der Zeuge, die zur weiteren Verwendung durch andere Behörden gesperrt worden sei. Deshalb hätte man das Außenministerium oder das Kanzleramt nur nach Rücksprache mit der amerikanischen Seite in Kenntnis setzen können. Schindler bezeichnete es als "Zufall", dass El-Masri im Laufe des Mai 2004 wieder freigelassen wurde, nachdem Schily kurz zuvor nach Afghanistan gereist war. Schindler betonte, er selbst habe von der Entführung des Deutsch-Libanesen erst im Zusammenhang des Treffens zwischen Coats und Schily und dann Anfang Juni aufgrund eines Schreibens des Anwalts von El-Masri an das Auswärtige Amt erfahren.
Auf Fragen von Oppositionsseite sagte der Mitarbeiter des Innenministeriums, er habe Anfang September 2004 Ermittlungen zum Fall El-Masri bei ausländischen Regierungen nicht verzögern wollen. Entsprechende Nachforschungen des in dieser Angelegenheit tätigen Polizeipräsidiums Schwaben in Augsburg hätten sich zunächst nur an inländische Behörden gerichtet und seien insofern auch an deutsche Botschaften weitergegeben worden. Er habe, so Schindler, nur deshalb über das Bundeskriminalamt (BKA) gegen die Weiterleitung dieser Anfragen durch die Botschaften an Regierungen etwa in Mazedonien, Albanien oder den USA interveniert, weil dies "professionell" über die BKA-Verbindungsleute in den betreffenden Ländern laufen sollte. Dies sei dann auch bereits eine Woche später am 10. September 2004 geschehen.
Nach mehrstündigen Beratungen hinter verschlossenen Türen einigten sich Koalitions- und Oppositionsabgeordnete auf die Ladung prominenter Zeugen aus den Reihen der ehemaligen rotgrünen Bundesregierung und der Spitzen der Geheimdienste. Am 23. November soll Schily aussagen. Die Auftritte des heutigen Außenministers und damaligen Kanzleramtschefs Frank-Walter Steinmeier (SPD) wie des früheren grünen Außenministers Joschka Fischer sind für den 14. Dezember geplant. Noch offen ist, ob die Vernehmungen Schilys, Steinmeiers und Fischers im Fernsehen übertragen werden, SPD-Obmann Thomas Oppermann bezeichnete dies als "denkbar". All die nächsten Zeugen sollen zunächst nur zur Entführung El-Masris gehört werden. Dieser Fall soll als erster Themenkomplex des Ausschusses bis Jahresende abgeschlossen werden, wie Siegfried Kauder (CDU) als dessen Vorsitzender ankündigte. Max Stadler (FDP) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) beharren jedoch darauf, Schily, Steinmeier und Fischer auch zu anderen Themen zu befragen, sofern dies zur Aufhellung der Verschleppung des Deutsch-Libanesen erforderlich sei. Die Oppositionspolitiker nannten etwa den Deutsch-Türken Murat Kurnaz, der von US-Stellen über Afghanistan für mehrere Jahre nach Guantanamo verschleppt worden war, oder einen Deutsch-Ägypter, der von US-Soldaten in einem bosnischen Lager misshandelt worden war und dessen Vernehmung deutsche Beamte deshalb ablehnten. In all diesen Fällen, so Stadler, gehe es um die Frage, ob die deutsche Regierung ihrer Schutzpflicht gegenüber den Entführungsopfern gerecht geworden sei.