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Attacke auf Ego-Shooter

Bild: Ein Junge spielt Counter-Strike bei den Deutschen Meisterschaften der Computerspiele 2004
Deutsche Meisterschaften der Computerspiele 2004.

Debatte: Verbot von „Killerspielen“ – Zensur oder Schutzmaßnahme?

Der letzte Schuss fiel, dann war das Spiel aus. Die fünf Jungs von Team3D waren endlich Weltmeister. Am 20. November gewann die amerikanische Videospiel-Mannschaft bei den „WorldCyberGames“ in Singapur den Titel im Ego-Shooter-Spiel „Counterstrike“. Wenige Tage zuvor hatten CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag das „Verbot von Killerspielen“ wie „Counterstrike“ angekündigt. Zumindest für die Fans des Spiels wirkte das, als würde nach dem WM-Finale 2006 Fußball als „jugendgefährdend“ verboten. An der digitalen Spielkultur scheiden sich die Geister. Sicher scheint nur: Eindimensionale Wirkungsmodelle werden dem Phänomen nicht gerecht.

Die „WorldCyberGames“ und der Koalitionsvertrag des schwarz-roten Regierungsbündnisses – die beiden fast zeitgleichen Ereignisse zeigen, wie schwierig und kontrovers die gesellschaftliche Diskussion über gewalthaltige Videospiele ist. Während die einen Ego-Shooter als normales Hobby oder gleich als leistungsorientierten Sport sehen, vermuten andere einen schädlichen Einfluss der virtuellen Schusswechsel auf die meist jugendlichen Spieler – vor allem seit auch auf den Festplatten des Erfurter Amokläufers Robert Steinhäuser oder den Attentätern der Columbine Highschool derartige Spiele gefunden wurden.

Es ist eine lautstarke und leidenschaftliche Kontroverse, in der begeisterte Spieler, besorgte Eltern, Medienschützer, eine gewinnorientierte Software-Industrie und natürlich auch die Politik um die Deutungshoheit kämpfen. Bereits über die Definition und Eingrenzung der „Killerspiele“ herrscht keine Einigkeit. Im Koalitionsvertrag wird dieses so bezeichnete Genre nicht näher konkretisiert. In der Szene ist das Wort nicht gebräuchlich, Software wie „Doom“ oder „Counterstrike“ bezeichnet man dort salopp als „Shooter“ oder „Ballerspiel“.

Während dieses Vokabular die Tätigkeit des Spielens zunächst nur beschreibt, nimmt der Begriff des Killer- oder Mörderspiels zweifellos eine moralische Bewertung des Spielprinzips vor. Morden ist das Töten aus niederen Beweggründen, aus Habgier, Rache oder Lust. Doch macht es tatsächlich einen Unterschied bei der Bewertung verschiedener Ego-Shooter, ob man in dem Spiel „Hitman“ einen Auftragskiller spielt, in „Call of Duty“ aber den Zweiten Weltkrieg simuliert und Europa von den Nazis befreit?

Rasant wachsender Markt

Computer- und Videospiele sind ein rasant wachsender Markt. 2004 wurden nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung in Deutschland 997 Millionen Euro umgesetzt. Wie groß der Anteil von gewalthaltiger Software daran ist, ist kaum zu bemessen. Sicher scheint, dass er hoch ist. Denn Abenteuer- und Kampfspiele sind neben Renn- und Sportsimulationen das beliebteste Genre und in den oft noch recht primitiven „Rette-die-Welt“-Geschichten ist Gewalt das populärste Mittel der Konfliktlösung.

Wie bei allen Medien sind Inhalte, die mit den starken Reizen Sex und Gewalt arbeiten sehr populär. Vor allem im Onlinebereich wird das deutlich. Die Web-Plattform csports.net führt in ihrer Liste der beliebtesten Onlinespiele auf den ersten zehn Plätzen zehn Ballerspiele wie „Doom“ oder „Counterstrike“.

Kinder und Jugendliche sind solchen Inhalten auch nach geltender Gesetzeslage nicht schutzlos ausgesetzt. Verboten sind kriegsverherrlichende Inhalte, geschlechtsbetonte Darstellungen von Kindern und Jugendlichen sowie Inhalte, die die Menschenwürde verletzen. Die aktuellen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz (die Novelle des Jugendschutzgesetzes und der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag) traten am 1. April 2003 in Kraft. Gemäß dem Jugendschutzgesetz müssen auch Computerspiele mit einer Altersfreigabe gekennzeichnet sein. Der Staat überwacht mit Hilfe der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ und der „Kommission für Jugendmedienschutz“ die Einhaltung der Regeln, greift aber nur im Notfall regulierend ein.

Jedes Spiel wird vor dem Marktstart durch die „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK) bewertet und mit Ratings versehen. Im Jahresbericht 2004 der USK kann man nachlesen, dass nur 3,9 Prozent aller Software keine Jugendfreigabe erhielten und 40 Prozent ohne Altersbeschränkung verkauft werden durften. Dass die USK-Ratings ein wirksames Mittel der Einflussnahme auf die Branche sein können, wurde kürzlich deutlich, als die Firma Frogster ihren Ego-Shooter „Vivisector – the Beast Within“ deutlich entschärfte, um eine Indizierung zu vermeiden.

Nachahmung oder Katharsis?

Die Diskussion um die Wirkung von Medieninhalten, die als schädlich bewertet werden, ist zweifellos sehr alt. Bereits Plato und Aristoteles stritten über die Frage, ob Theaterstücke, die gewalttätiges Verhalten darstellen, nun die Jugend zu einer Nachahmung der Gewalthandlungen verführe oder im Gegenteil eine Katharsis, also eine Entladung von negativen Energien, bewirke. Viel hat sich seitdem bei den grundsätzlichen Positionen nicht getan.

So kamen die Wissenschaftler der Michigan State University kürzlich zu dem Ergebnis, dass zwischen virtueller und tatsächlicher Gewalt ein kurzzeitiger Kausalzusammenhang bestehen könnte. Auch die Tatsache, dass die US-Armee ihre Rekruten zum virtuellen Training bei „Doom“ schickt, spricht nicht unbedingt für die Harmlosigkeit der Spiele. „Man zielt nicht mehr auf Zielscheiben, sondern auf animierte menschliche Silhouetten“, schreibt der Ex-US-Leutnant und Psychologe David Grossmann in seinem Buch „On Killing“. „So macht man aus dem Töten einen konditionierten Reflex.“

Andere Wissenschaftler kritisieren hingegen solch ein „vereinfachendes Reiz-Reaktions-Denken“ und schreiben den Computerspielen sogar positive Effekte zu. Der US-Medienpädagoge Gerard Jones schreibt in seinem Buch „Killing Monsters“: „Diese Spiele wären wohl nicht halb so erfolgreich, würden sie nicht zunehmend soziale Aktivität und Wettkampfcharakter entwickeln.“

Vieles spricht dafür, dass man komplexere Modelle verwenden muss, um die Wechselwirkungen zwischen Spielwelt und sozialem Handeln zu beschreiben. Virtuelle und fiktive Gewalt können wohl reale Gewalt erzeugen, meint etwa die Giessener Medienforscherin Dagmar Krebs und setzt hinzu: „Sie müssen das aber nicht tun.“

Vor allem Faktoren wie die Situation im Elternhaus, die ökonomischen Lebensbedingungen und die soziale Integration spielen nach Meinung vieler Experten eine entscheidende Rolle bei der Wirkung, die Medieninhalte bei Menschen entfalten. „Killerspiele“ sind ein kulturelles Phänomen unserer Zeit, das nicht nur Jugendliche betrifft, sondern die gesamte Gesellschaft.

Text: Tobias Moorstedt
Foto: Picture-Alliance
Erschienen am 20. Dezember 2005

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Weitere Informationen:

  • Search & Play: Die interaktive Datenbank für Computerspiele der Bundeszentrale für politische Bildung sammelt pädagogische Meinungen von Wissenschaftlern und persönliche Bewertungen von Spielern: snp.bpb.de


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