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Die einen preisen sie als Chance. Andere warnen vor Risiken. An der Zukunft gentechnisch veränderter Pflanzen scheiden sich in Deutschland die Geister. Während Bundesregierung und Wirtschaft die so genannte grüne Gentechnologie befördern wollen und auf Wachstum in einer Zukunftsbranche hoffen, lehnen Umwelt- und Verbraucherschützer den Anbau und Konsum ab. Auch die Konsumenten sind skeptisch: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Magazins Slow-Food sind 79 Prozent der Deutschen gegen gentechnisch veränderte Bestandteile in ihrer Nahrung.
In der Gentechnik in der Landwirtschaft werden die Gene von Pflanzen durch den Eingriff des Menschen verändert. Damit kann beispielsweise die Nährstoffzusammensetzung beeinflusst oder eine Resistenz gegen Schädlinge entwickelt werden. Die Technologie ist umstritten, weil möglicherweise noch nicht alle Spätfolgen der Genveränderung erforscht sind.
In Deutschland werden in diesem Jahr nach Angaben des Standortregisters beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit an 157 Standorten gentechnisch veränderte Pflanzen zu kommerziellen Zwecken angebaut. 53 Prozent der Flächen liegen in Brandenburg. Zum Anbau in Deutschland kommt derzeit ausschließlich genveränderter Mais. Die Maissorten waren in den letzten Jahren sukzessive von der EU zugelassen worden. Ihr Vorteil: Die meisten sind resistent gegen den so genannten Maiszünsler. Dabei handelt es sich um einen Schädling, der je nach Befall große Teile einer Ernte zerstören kann.
Auch in Lebensmitteln können sich Bestandteile einzelner gentechnisch veränderter Organismen als Zutaten oder Zusatzstoffe befinden. Nach EU-Recht müssen diese Produkte gekennzeichnet werden, wenn die Menge des veränderten Genmaterials einen bestimmten Schwellenwert überschreitet. So werden Pflanzenöle teilweise aus gentechnisch veränderten Sojabohnen gewonnen. Glukosesirup wird vielfach aus gentechnisch verändertem Mais hergestellt. Auch bei der Produktion von Saatgut und von nachwachsenden Rohstoffen etwa aus Rapsöl spielt die Gentechnik eine Rolle. Die Ware kommt derzeit meist aus dem Ausland, da der Anbau in Deutschland mit knapp 2.000 Hektar im internationalen Vergleich gering ist.
Für den Verbraucher steht dabei zunächst die Information an oberster Stelle: er möchte wissen, welche Lebensmittel gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten und welche nicht. Nur so ist gewährleistet, dass er die Wahlfreiheit hat, zu kaufen und zu essen, was er will.
Aufschwung für Biotech-Branche?
Weltweit wurden im Jahre 2005 rund 90 Millionen Hektar genveränderte Pflanzen ausgesät. Rund 62 Prozent des Anbaus finden in den USA und in Kanada statt, 19 Prozent in Argentinien. Die wichtigste Sorte ist Soja. Auf die Bohnen entfallen etwa 60 Prozent aller weltweiten Flächen mit genveränderten Pflanzen. Danach folgt Mais mit einem Anteil von rund 24 Prozent. Baumwolle und Raps spielen eine geringere Rolle.
Die Wirtschaft erhofft sich einen Marktdurchbruch auch in Deutschland. Sie will der Schlüsselbranche Biotechnologie damit zum Aufschwung verhelfen. Nach dem Deutschen Biotechnologie-Report der Unternehmensberatung Ernest & Young ist die Zahl der Beschäftigten in Deutschland in der Biotech-Branche von 14.000 im Jahre 2001 auf unter 12.000 gesunken. Die Wirtschaft macht dafür unter anderem das Gentechnikgesetz der alten rot-grünen Bundesregierung verantwortlich. Das Gesetz setzt weitgehend die europäische Freisetzungsrichtlinie um. Danach ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen europaweit grundsätzlich erlaubt. Bei den Details der Ausgestaltung haben die Mitgliedsländer allerdings Spielräume. In Deutschland wurde die Richtlinie vergleichsweise restriktiv umgesetzt.
Risiko Pollenflug
Beispielsweise sieht das gültige Gesetz vor, dass in Deutschland alle Standorte mit gentechnisch veränderten Pflanzen öffentlich gemacht werden müssen. Das passiert derzeit im Internet. Die Veröffentlichung bereitet vielen Bauern Sorge, da es auf betroffenen Feldern immer wieder zu Protesten von Naturschützern kommt. In ökologisch sensiblen Gebieten darf ein Anbau nur unter Auflagen stattfinden. Damit will man verhindern, dass genveränderte Pflanzen über Auskreuzung schützenswerte Pflanzen beschädigen. Bei der Auskreuzung werden konventionelle Pflanzen mit transgenem Pollen bestäubt. Dadurch vermischen sich die Gene von veränderten mit herkömmlichen Pflanzen.
Besonders strittig im Gesetz ist auch die Haftung. Dabei geht es um die Frage, wer für Schäden aufkommen muss. Diese können entstehen, wenn genveränderte Pollen auf Nachbarfelder mit normalen Pflanzen fliegen. Dann kann beispielsweise ein Ökobauer seine Produkte nicht mehr verkaufen. Nach aktueller Rechtslage müssen alle Landwirte, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, für solche Schäden haften, wenn der Verursacher nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann. Dies führt in der Praxis dazu, dass nur wenig Anbau stattfindet, da die meisten Landwirte das enorme finanzielle Risiko scheuen.
Haftungsfonds geplant
Umweltschützer warnen vor dem Anbau. Sie haben die Sorge, dass die genveränderten Pollen, sind sie erst einmal freigesetzt, andere Kulturpflanzen verdrängen könnten. Viele Sorten könnten so unwiederbringlich verloren gehen. Besonders bedroht fühlt sich der Biolandbau, weil gentechnisch veränderte Pflanzen dort nicht verwendet werden dürfen. In mehreren Studien warnen Experten auch davor, dass genveränderte Organismen beim Menschen Gesundheitsprobleme auslösen könnten, etwa Allergien. Zwar gibt es dafür derzeit keinen endgültigen wissenschaftlichen Beweis. Doch es bleibt ein Restrisiko. In Deutschland haben sich deswegen rund 22.000 Landwirte in fast allen Ländern freiwillig zu gentechnikfreien Regionen zusammengeschlossen. In der Schweiz ist der Anbau durch einen Volksentscheid verboten worden.
Die Bundesregierung dagegen will den Landwirten den Anbau erleichtern. Im Dezember hat das Bundessortenamt erstmals drei gentechnisch veränderte Maissorten für den Anbau speziell in Deutschland zugelassen. Außerdem soll das strikte Haftungsrecht geändert werden. Geplant ist ein Fonds mit dem Schäden bezahlt werden sollen, die sich nicht direkt einem Verursacher zuordnen lassen. Doch noch zögert die Wirtschaft mit finanziellen Zusagen. Die Regierung hat in ihrer ersten Gentechnikgesetz-Novelle diesen und andere strittige Punkte deswegen ausgeklammert und ändert zunächst nur einige technische Details, um das Gesetz der EU-Freisetzungsrichtlinie anzupassen. Dafür bestand eine Frist bis 19. Februar, sonst drohen Strafzahlungen an die EU. Es ist allerdings eine weitere Novelle geplant, in der auch ein Haftungsfond beschlossen werden könnte. Damit wäre die Voraussetzung geschaffen, dass in der nächsten Anbausaison im Frühjahr 2007 mehr Landwirte als bisher gentechnisch veränderte Pflanzen aussähen können.
Text: Jörg Michel
Foto: Picture-Alliance
Erschienen am 22. Februar 2006
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