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Nichts kommt von selbst. Straßen, Schulen, Arbeitslosengeld – alles kostet. Die Mittel muss sich der Staat bei Bürgern, Firmen und Organisationen besorgen. Die oberste Verpflichtung des Parlamentes: Dass es bei den Steuergesetzen so gerecht und nachvollziehbar wie eben möglich zugeht.
Im alten Ägypten maßen so genannte „Nilometer“, wie hoch die Überschwemmung jeweils ausgefallen war. Daraus konnten die „Finanzbeamten“ des Pharaos berechnen, wie hoch die Erträge der Bauern aller Erfahrung nach ausfallen werden, wie hoch also die Abgabenpflicht an den Staat sein durfte, ohne den Landwirt zu unter- oder überfordern. Das Prinzip ist geblieben: Besteuert wird nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Wer wenig verdient, zahlt wenig. Wer mehr verdient, zahlt mehr.
Daneben hat der Bund zahlreiche Feinjustierungen eingeführt. So steigt zwar weiterhin der Steuersatz, je mehr ein Bürger verdient. Doch sowohl der Höchst- wie der Eingangssteuersatz ist mehrfach heruntergesetzt worden. Der eine von 53 auf 42, der andere von 25,9 auf 15 Prozent. Gleichzeitig setzte der Bundesgesetzgeber den Grundfreibetrag, der also völlig steuerfrei bleibt, von 6.322 auf 7.664 Euro hinauf. Hinzu kommen steuerliche Erleichterungen für Verheiratete, für Familien, Alleinerziehende und zahlreiche weitere persönliche Umstände.
Nach der Umsatzsteuer macht die Einkommensteuer den zweitgrößten Anteil unter den Staatseinnahmen aus. Der Bund rechnet daraus im Jahr 2006 mit 57,4 Milliarden Euro Einnahmen, bis zum Jahr 2009 soll der Betrag sogar auf 66 Milliarden Euro ansteigen. Und das ist nur ein Teil der eingenommenen Einkommensteuer. Denn viele Steuern teilen sich Bund, Länder und Gemeinden. Von der Einkommensteuer gehen beispielsweise je 42,5 Prozent an Bund und Länder und 15 Prozent an die Kommunen. Die Einkommensteuer wird nicht nur auf die klassischen Löhne und Gehälter erhoben. Sie gilt daneben für die sechs weiteren Arten von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieben, aus selbstständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und aus sonstigen Einkünften, wozu beispielsweise Renten oder Spekulationsgewinne gehören.
Größter „Brocken“ aus Sicht des Bundes ist die Umsatzsteuer. Sie funktioniert im Prinzip ganz einfach: Diese Steuer begleitet jedes Produkt, ganz gleich, wie oft es weiterverarbeitet oder veredelt wird, bis es vom Endverbraucher gekauft wird. Weil es von Stufe zu Stufe mehr an Wert gewinnt, wird die Steuer auch Mehrwertsteuer genannt. Es gibt sie in drei Stufen: Zum vollen Satz (16 Prozent Aufschlag auf den Nettopreis/ab 2007 sind es 19 Prozent), zum ermäßigten Satz (sieben Prozent) zum Beispiel für Bücher oder Kunstgegenstände und zum Nullsatz, etwa für Briefmarken. Lebensmittel sind an die Verzehrsituation geknüpft. Deshalb wird in den Schnellrestaurants auch stets gefragt: „Wollen Sie es mitnehmen oder hier essen?“ Mitnehmen bedeutet ermäßigter, vor Ort verzehren voller Steuersatz.
Der Verbraucher merkt es in der Regel nur bei einem genauen Blick auf die Quittung, der Staat kann davon einen guten Teil seiner Aufgaben erfüllen. Allein beim Bund, der gut die Hälfte aus der Umsatzsteuer erhält, werden für das Jahr 2006 fast 75,5 Milliarden Euro daraus erwartet, für das Jahr 2009 sogar 76,8 Milliarden.
Am Beispiel der Umsatzsteuer lässt sich auch die enorme Veränderung verdeutlichen, die einzelne Steuerarten durchmachen. Im Jahr 1968 lag der Satz bei zehn Prozent; die Gesamteinnahmen aus der Umsatzsteuer beliefen sich auf umgerechnet 13 Milliarden Euro, binnen drei Jahrzehnten stieg der Satz auf 16 Prozent, der Ertrag verzehnfachte sich auf 137 Milliarden. Entsprechend macht die Umsatzsteuer nicht mehr nur ein Fünftel, sondern inzwischen schon ein Drittel der gesamten Steuereinnahmen aus.
Drittgrößter Posten bei den Steuereinnahmen ist für den Bund die Mineralölsteuer (rund 40 Milliarden/ abzüglich gut sieben Milliarden Länderbeteiligung). Der Bundesanteil an nicht veranlagten Steuern vom Ertrag, vom Zinsabschlag und an der Körperschaftsteuer fällt mit 16 bis 18 Milliarden ebenfalls noch deutlich ins Gewicht, dicht gefolgt von gut 14 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer. Überaus nennenswert sind daneben die Stromsteuer mit knapp sieben Milliarden für den Bund und die Branntweinsteuer mit 2,2 Milliarden.
Regulierungsinstrument
Die Steuerschätzer dürfen nie vergessen, dass Steuern auch das Verhalten der Bürger lenken. Häufig setzt der Staat die Steuerschraube ein, um anderes zu bewirken als nur mehr Einnahmen. So freute sich die Gesundheitsministerin über eine wachsende Nichtraucherquote in der Folge höherer Tabaksteuer und die Drogenbeauftragte über einen sprunghaft wachsenden Konsumverzicht von Jugendlichen bei den so genannten Alcopops durch eine drastische Besteuerung. Eine Doppelstrategie verfolgte der Staat mit der so genannten Ökosteuer: Die Einnahmen sollten dazu verwendet werden, die Beiträge zur Rentenversicherung zu stabilisieren, gleichzeitig sollte die höhere Belastung von Energieverbrauch zu einem umweltbewussteren Umgang mit dem knappen Gut anregen oder zum Umsteigen auf erneuerbare Energien anregen, die von der Ökosteuer befreit blieben.
In den ersten 50 Jahren der deutschen Nachkriegsgeschichte finanzierte sich der Bund mehr aus direkten Steuern (wie der Einkommensteuer) als aus indirekten Steuern (wie der Umsatzsteuer). 1950 betrug dieses Verhältnis 50,6:49,4 Prozent (5,3 zu 5,2 Milliarden Euro). 1989 war das Verhältnis auf 59,5:40,5 Prozent (159,5 zu 121,6 Milliarden Euro) auseinander gedriftet. Seit dem Jahr 2001 hat sich das Verhältnis umgekehrt, 2006 liegt es bei 48,4 zu 51,6 Prozent (221,5 zu 236 Milliarden Euro/geschätzt).
Zu weiteren Einnahmen des Bundes gehört zum Beispiel der Bundesbankgewinn, der 2004 im Umfang von 676 Millionen Euro an den Bund abgeführt wurde. Bis 2009 werden daraus jährlich rund drei Milliarden erwartet. Mit knapp fünf Milliarden werden die Einnahmen aus Gebühren und Entgelten, wie zum Beispiel der Lkw-Maut, kalkuliert. Hinzu kommen unter anderem Gewinne aus Beteiligungen des Bundes, Erlöse aus dem Verkauf von Bundesbesitz und Zuweisungen und Zuschüsse, so dass sich die gesamten „sonstigen Einnahmen“ auf 30,9 Milliarden belaufen (Schätzung 2006).
Alles, was dann noch fehlt, um Einnahmen und Ausgaben auszugleichen, muss entweder durch nochmaliges Absenken der Ausgaben, weiteres Drehen an der Steuerschraube oder, wenn man beides nicht kann und will, durch das Aufnehmen neuer Kredite gelöst werden. Aus diesem Grund stieg der Umfang der Verschuldung beim Bund von 719 Milliarden Ende 2002 auf rund 873 Milliarden Ende 2005. Die Länder waren mit zusätzlich 468 Milliarden, die Gemeinden mit zusätzlich 83,5 Milliarden Euro verschuldet.
Erschienen am 8. Mai 2006