UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS "PARTEISPENDEN"
Bohl weist den Vorwurf der Datenvernichtung zurück
(bn) In der 72. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses ist am 5. April Bundestagsvizepräsident a.D. Burkhard Hirsch (F.D.P.) informatorisch angehört worden. Dabei stellte Hirsch fest, der Aktenfehlbestand sei gegenüber seinem Bericht vom 21. Juni 2000 "vollkommen unverändert". Keine der damals als fehlend bezeichneten Akten sei inzwischen wieder aufgetaucht. Dabei handele es sich beispielsweise um Akten zum Verkauf der Leuna-Raffinerie. Zu sieben Privatisierungsvorgängen von zum Teil erheblichem Umfang seien die Originale nicht mehr vorhanden. Unverändert bestünden auch Aktenlücken im Zusammenhang mit der Lieferung von "Fuchs"-Spürpanzern nach Saudi-Arabien oder dem Verkauf der Eisenbahnerwohnungen, führte Hirsch aus.
Der ehemalige Bundestagsvizepräsident blieb damit bei seiner Darstellung, auch nachdem die Bonner Staatsanwaltschaft die beabsichtigte Einstellung des Verfahrens gegen ehemalige Kanzleramtsmitarbeiter wegen des Verschwindens von Akten und Daten mangels Tatverdachts angekündigt hat. Hirsch war vom Bundeskanzleramt mit entsprechenden Vorermittlungen betraut gewesen, eine Aufgabe, die nach seinen Angaben am 14. November 2000 formell beendet war. Er habe im Rahmen dieser Tätigkeit nicht gegen den Bundeskanzler und den Chef des Bundeskanzleramtes ermittelt, betonte er.
Datenlöschung technisch nicht notwendig
Als unverändert bezeichnete Hirsch auch den Sachverhalt der Datenlöschungen. Aus einem Gutachten des Bundesamtes für die Sicherheit von Informationstechnik gehe hervor, dass im Kanzleramt Ende 1998 an drei "Löschungstagen" zwei Drittel der Daten, etwa drei Giga-Byte, gelöscht worden seien.
Seinen Angaben zufolge hatte der damalige Kanzleramtschef Bohl dagegen die Weisung gegeben, die Amtsübergabe solle ordnungsgemäß erfolgen. Es sollten nur Daten vernichtet werden, die von den Mitarbeitern als "nicht erhaltenswert" angesehen würden. Nach Hirschs Erklärung war diese Vorgabe jedoch nicht eingehalten worden. Der damalige Abteilungsleiter I habe dafür die Verantwortung übernommen. Der frühere F.D.P.-Politiker verneinte die Frage, ob eine Datenlöschung aus technischen Gründen notwendig gewesen sei. Ende 1998 sei ein neues System in Betrieb gewesen mit einer Gesamtkapazität von vier Giga-Byte, wovon zum damaligen Zeitpunkt ein Giga-Byte noch unbesetzt war.
Hirsch wehrte sich gegen den Vorwurf der Union, er habe sich zum "Handlanger einer verleumderischen Diffamierungskampagne" machen lassen. Um klare Verhältnisse zu schaffen, stehe er dafür auch vor dem Amtsgericht Berlin-Mitte zur Verfügung, erklärte er zur Ankündigung der Christdemokraten, Strafanzeige zu prüfen.
Ebenso wies er zurück, er habe immer nur belastende und nie entlastende Tatsachen festgestellt. Die Union hatte ihm dies vorgehalten und in Zweifel gezogen, ob er insoweit seiner Aufgabe gerecht geworden sei. In sechs Fällen, erwiderte Hirsch, habe er nach den Vorermittlungen Schlussberichte geschrieben. In diesen habe er zum Teil empfohlen, keine disziplinarischen Maßnahmen zu treffen. In anderen Fällen habe er geraten, dies zu tun.
Weder Akten vernichtet noch Daten gelöscht
Friedrich Bohl (CDU), der ehemalige Chef des Bundeskanzleramtes, betonte vor dem Ausschuss, weder habe er Akten vernichtet oder Daten gelöscht noch einen Beitrag dazu geleistet. Er habe im Gegenteil die Weisung erteilt, keine wichtigen Datenbestände zu löschen. Dies wurde auch vom damaligen Personalratsvorsitzenden des Kanzleramtes, Carsten Ueck, bestätigt, der ebenfalls als Zeuge geladen war.
Bohl stellte außerdem fest, er sei an den Vorgängen der "Fuchs"-Lieferungen nach Saudi-Arabien und der Privatisierung der Leuna-Raffinerie nicht direkt beteiligt gewesen.