Suchbild
Cullens Reichstag
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Michael S. Cullen. |
Der amerikanische Historiker Michael S. Cullen, einer der besten Kenner der Geschichte des Reichstagsgebäudes, schreibt uns zu unserem letzten Suchbild:
Die Idee für die Inschrift DEM DEUTSCHEN VOLKE hatte Reichstagsarchitekt Paul Wallot gegen Abschluss der Bauarbeiten; sie war in einer Zeichnung von 1893 zu sehen. Doch als das Gebäude am 5. Dezember 1894 eingeweiht wurde, fehlten die drei Wörter. Die Sozialdemokraten vermuteten, dass Kaiser Wilhelm II. ihre Anbringung verhindert hatte. Ihn störte vieles: der Parlamentarismus, der Bau, der Architekt.
Knapp 20 Jahre dauerte es, bis im August 1915 – mitten im Weltkrieg – das Thema wieder aktuell wurde. Ein Redakteur des Leipziger Tageblatts meinte, die Anbringung würde das verbitterte Volk mit dem Kaiser versöhnen. Möglicherweise hat dieser Gedanke Wilhelm II. überzeugt. Jedenfalls kam sehr schnell von höchster Stelle die Genehmigung. Der Kaiser ließ sogar zwei erbeutete Geschützrohre kostenlos zur Verfügung stellen, damit Bronze für die Buchstaben gewonnen werden konnte.
Die Herstellung wurde der renommierten Bronzegießerei Loevy in Berlin übertragen. Die Buchstaben wurden dann in den Vorweihnachtstagen des Jahres 1916 am Reichstag angebracht. Die Firma Loevy war in jüdischem Besitz. Bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen, starben beide Prinzipale. Ihre Söhne übernahmen die Firma. Sie wurden nach 1933 verfolgt und in den Tod getrieben. Noch in diesem Jahr soll eine Ausstellung an die Firma und die Familie Loevy erinnern.
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Das Hauptportal des Reichstagsgebäudes. |
Viele Leser haben gewusst, dass das Suchbild unserer Mai-Ausgabe den Buchstaben "O" aus der Inschrift "DEM DEUTSCHEN VOLKE" darstellt, die über dem Hauptportal des Reichstagsgebäudes zu sehen ist. Die Namen der Gewinner geben wir in der nächsten Ausgabe bekannt.