ANHÖRUNG DES UMWELTAUSSCHUSSES
"Terroranschläge haben das Restrisiko von Atomkraftwerken verändert"
(um) Die Terroranschläge in den USA haben nach Auffassung von Professor Georg Hermes von der Universität Frankfurt am Main dazu geführt, dass sich die Grenze des so genannten "hinnehmbaren Restrisikos" bei Kernkraftwerken verschoben hat.
Thema der Anhörung am 5. November war ein Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur geordneten Beendigung der Nutzung von Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität ( 14/6890) und der wortgleiche Gesetzentwurf der Regierung ( 14/7261).
Hermes erklärte, bei gezielten Flugzeugangriffen auf Kernkraftwerke befinde man sich nicht mehr im Bereich des tolerierbaren Restrisikos. Er betonte die Verantwortung der Betreiber von gefährlichen Anlagen, da nie völlig ausgeschlossen werden könne, dass Flugzeuge auf Kernkraftwerke fallen. Es sei verfassungskonform, wenn der Gesetzgeber von Betreibern verlange, Risiken "so gut wie" auszuschließen, um das Grundrecht auf Leben und Gesundheit mit wirtschaftlichen Interessen zu vereinbaren.
Der Rechtsanwalt Siegfried de Witt verwies auf die Kalkar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in dem die Grenze zwischen Gefahrenabwehr und Restrisiko mit der "praktischen Vernunft" der Ingenieure umschrieben worden sei. Mit der geplanten Laufzeitbegrenzung schränke der Gesetzentwurf den Eigentumsschutz der Betreiber ein. Ähnlich sah das Professor Matthias Schmidt-Preuß von der Universität Erlangen. Entscheidend sei, ob die Begrenzung verhältnismäßig ist. Verfassungsrechtlich gebe es eine "Gemengelage". Mit Blick auf terroristische Bedrohungen müsse der Gesetzgeber prüfen, ob eine Technologie noch vertretbar ist oder nicht. Es komme auf eine "Balance" zwischen dem Grundrecht auf Eigentums- und Forschungsfreiheit gegenüber den Risiken an.
Lothar Hahn vom Öko-Institut Darmstadt meinte, ab einer bestimmten Größe sei ein Schutz gegen einen Flugzeugabsturz unrealistisch. Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt sagte, Sicherheitskonzepte müssten sich auch rechnen. Es sei zu fragen, wie Konzepte gegen Katastrophen ausgelegt sein müssen, ohne dass dann Anlagen die meiste Zeit außer Betrieb sind.
Als Sonderweg bezeichnete Professor Wolfgang Pfaffenberger vom Energieinstitut Bremen die Laufzeitbegrenzung im Hinblick auf die europäischen Nachbarn. Möglicherweise müssten dadurch langfristig wirtschaftliche Nachteile hingenommen werden.