Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zögert: "Bevor das Bundesverfassungsgericht nicht über die Haushaltsnotlage Berlins entschieden hat, macht es keinen Sinn, über Zeitpläne nachzudenken." Und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) drängt: "Für uns ist die Abstimmung 2009 das Ziel, so wie schon 2006 das Ziel war." Es geht um die seit Jahren von den Parteien gewollte, aber von Brandenburg immer wieder verschobene Fusion der beiden Länder zum Land Berlin-Brandenburg mit mehr als fünf Millionen Einwohnern.
So stand das Thema auch bei der jüngsten gemeinsamen Sitzung von Berliner Senat und brandenburgischer Landesregierung in Potsdam wieder auf der Tagesordnung. Ohne konkretes Ergebnis. Am liebsten wäre es Platzeck, wenn man über die Fusion im Zusammenhang mit einer Bundestagswahl entscheiden würde. Die nächste ist 2009. Doch offensichtlich ist dieser Termin Platzeck noch zu früh. Also erst 2013? Da aber zwischen Abstimmung und vollzogener Fusion einige Jahre liegen, rückt der Zusammenschluss beider Länder in immer weitere Ferne. Wahrscheinlich wird sie erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts möglich.
Immerhin haben sich die beiden Landesregierungen auf einige kleine Fusionen geeinigt. Unterzeichnet wurden im Rahmen der letzten gemeinsamen Kabinettssitzung gleich zwei Staatsverträge, nach denen die Statistikämter beider Länder zusammengelegt werden. Sitz des neuen gemeinsamen Statistischen Amtes wird Potsdam mit Außenstellen in Berlin und Cottbus. In einem weiteren Staatsvertrag wurden die Rentenversicherungen Berlin und Brandenburg zusammengelegt.
Nicht genug der kleinen Fusionen: Die beiden Landesregierungen beschlossen die Einrichtung eines gemeinsamen Luftfahrtamtes. Gleiches gilt für das Berliner Amt für Lebensmittelüberwachung und das entsprechende brandenburgische Landeslabor. Ferner wollen Berlin und Brandenburg künftig gemeinsam die Ausbildung der Justizbeamten durchführen. Gleiches gilt auch für die Fortbildung der Pädagogen im Landesdienst. Darüber hinaus wollen beide Länder ein gemeinsames Institut für Schulqualität einrichten, das dann die Schultests auswertet.
Die Fusion beider Länder, zu der es aus der Sicht aller Parteien keine wirkliche Alternative gibt, scheitert bislang an Brandenburg. Mitte der 90er-Jahre sagten die Berliner in einer Volksabstimmung Ja, die Brandenburger aber Nein. Denn letztere fürchten, bei einer Fusion keine Rolle mehr im Schatten Berlins zu spielen, das dann einen Oberbürgermeister anstelle des jetzigen Regierenden Bürgermeisters erhalten würde. Potsdam soll Sitz des Landtages und der Landesregierung sein, wobei einige Landesministerien auch in Berlin untergebracht werden sollen.
Vor diesem Hintergrund soll auch möglichst bald mit dem Neubau des brandenburgischen Landtages begonnen werden. Er soll hinter der wiederaufzubauenden Fassade des alten Stadtschlosses in Nähe des Hauptbahnhofs so gebaut werden, dass Platz genug sein wird, um auch die Berliner Abgeordneten aufnehmen zu können.
Ursprünglich war vorgesehen, einen zweiten Abstimmungsversuch für 2006 zu wagen. Zeitgleich mit der Wahl des neuen Deutschen Bundestages - die aber zwischenzeitlich um ein Jahr vorgezogen wurde - und eines neuen Berliner Abgeordnetenhauses. 2009 sollte dann die Fusion wirksam werden. Doch bereits 2004 bekam Ministerpräsident Platzeck kalte Füße. Im bevorstehenden Landtagswahlkampf spürte er die weiterhin große Abneigung der Bevölkerung gegen die Verschmelzung mit Berlin. Das traf und trifft vor allem für die von Berlin und Potsdam weit entfernt liegenden Landesteile zu. Schnell warf Platzeck das Ruder herum und verbannte das leidige Thema Fusion von der politischen Tagesordnung.
Formal versteckt man sich in Potsdam hinter dem Berliner Schuldenberg von 60 Milliarden Euro. Man fürchtet, im Falle einer Fusion dafür mit haftbar gemacht zu werden. Man will erst wissen, wie Berlin seine Schulden bewältigen kann. Dabei spielt dann die für 2006 erwartete Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über eine Entschuldung durch den Bund eine große Rolle. Sollte Karlsruhe im Sinne Berlins entscheiden, will man über einen konkreten Termin für die Volksabstimmung neu abstimmen.
Doch den Brandenburgern geht es nicht nur um das Geld. Vielmehr gibt es eine in der Bevölkerung tief sitzende Angst vor dem "Moloch" der 3,5 Millionen Einwohner zählenden Bundeshauptstadt. Sie ist nur schwer zu beschreiben. Aber die schiere Größe Berlins allein macht schon den Menschen im mehrheitlich ländlich strukturierten Brandenburg Angst. Umgekehrt "lebt" der so genannte Speckgürtel um Berlin von der Bundeshauptstadt, da die dortigen Brandenburger ohnehin zu einem großen Teil aus Berlin stammen oder aber vom brandenburgischen Land, weil sie in der Bundeshauptstadt Arbeit gefunden haben.
Offiziell zurückgepfiffen wurde dieser Tage der Fraktionschef der SPD im brandenburgischen Landtag, Günter Baaske. Dieser hatte einen Fusionsfahrplan für wenig sinnvoll erklärt, da die Bevölkerung einen solchen mehrheitlich nicht wolle. Formal erklärte Platzeck, dass dies nicht die Meinung der Landesregierung sei. Intern freilich liegen die beiden gar nicht weit auseinander. Baaske, der 2004 für die Fraktionsführung die Landesregierung verließ, gilt als einer der aussichtsreichsten Nachfolger von Platzeck, falls dieser als SPD-Bundesvorsitzender ein Ministeramt auf Bundesebene eintreten sollte und dann seinen Posten als Ministerpräsident aufgeben müsste. Baaske hatte sich auch Hoffnungen auf den SPD-Landesvorsitz gemacht, nachdem Platzeck überraschend als Nachfolger von Franz Müntefering gewählt worden war. Doch Platzeck hat inzwischen erklärt, dass der vorerst auch Landesvorsitzender bleiben möchte.