"Kein weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf wegen Eschede-Unglück"
Berlin: (hib/RAB) Der Gesetzgeber hat alle notwendigen Konsequenzen aus dem Eisenbahnunglück von Eschede gezogen, um derartige Katastrophen in Zukunft zu vermeiden. In dieser Einschätzung waren sich Regierungsvertreter und Abgeordnete am Mittwochvormittag im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen einig, als sie zu einem Regierungsbericht Stellung nahmen. Im Juni 1998 war ein ICE im niedersächsischen Eschede entgleist und gegen eine Brücke geprallt. 102 Todesopfer waren zu beklagen. Ein Regierungsvertreter erklärte, der Gesetzgeber habe in der Bahnreform besonders auf die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs geachtet. Infolge des Unglücks seien die gumm-gefederten Radsätze gegen Vollräder ausgetauscht und die Ultraschalluntersuchungen verbessern worden. Klaus Junker, Vorsitzender der Deutschen Bahn Netz AG, wies darauf hin, dass der zu geringe Umfang eines Rades für den Unfall verantwortlich gewesen sei. Dies sei geschehen, obwohl alle Räder vor dem ersten Einsatz umfassend geprüft würden. Zu einer entsprechenden Frage der Abgeordneten erklärte Junker, es seien nach dem Unglück Notausstiegsscheiben entwickelt worden, mit denen die Züge derzeit nachgerüstet würden. Zum Zeitpunkt des Unglücks sei es aber den Feuerwehrleuten möglich gewesen, mit normalem Werkzeug in den Zug einzudringen. Als weitere Konsequenz plane das Unternehmen, keine Weichen mehr vor Brücken einzurichten und sich für den Bau von freitragenden Brücken einzusetzen. Derzeit würden alle vorhanden Weichen überprüft.
Der Leiter der Stabsstelle Großschäden der Deutschen Bahn AG (DB), Martin Schönbeck, wies darauf hin, dass sein Konzern den Hinterbliebenen von Todesopfern auf freiwilliger Basis ein Schmerzensgeld von 30.000 DM pro Person gezahlt habe. Die Schadensersatzansprüche in derartigen Fällen seien nicht normiert, nach Angabe Schönbecks habe das Landgericht Lüneburg aber diese Zahlung als "angemessen" bezeichnet. In vergleichbaren Fällen habe die Rechtsprechung eine Zahlung von 5.000 bis 10.000 DM pro Person ergeben. Weiter hieß es, die DB habe keinerlei Spenden, weder von Ländern noch von der Bundesregierung, für die Begleichung von eventuellen Schmerzensgeldansprüchen verwendet. Hans-Heinrich Grauf vom Eisenbahnbundesamt machte deutlich, dass die Zulassungsvoraussetzung für den Umfang eines Rades zum Zeitpunkt des Unglückes 860 Millimeter betragen habe und das Unglücksrad einen Umfang von 862 Millimeter vorzuweisen hatte. Nach heutigen Erkenntnissen garantiere ein Umfang von 880 Millimetern die Dauerfestigkeit eines Rades.
Die CDU/CSU stellte die Frage, warum das defekte Rad bei Routineuntersuchungen der Bahn nicht entdeckt worden sei. Die Fraktion sprach sich dafür aus, die Umrüstung mit entsprechenden einstiegsgeeigneten Fenstern schnell voranzutreiben. In dieser Frage müsse das Eisenbahnbundesamt die Bahn unter Druck setzen. Die SPD wies darauf hin, dass das Unglücksrad bereits Wochen vor dem Unglück auffällig gewesen sei. Es müsse die Frage geklärt werden, ob auch bei Vollrädern entsprechende Missbildungen entstehen können. Für die Abgeordneten ist die Höhe von Schmerzensgeldzahlungen für die Opfer von derartigen Unglücken ein Thema für den Gesetzgeber. Die FDP sah keine weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Interessant sei vor allem die Frage, welche Ergebnisse die baulichen Überprüfungen auf der Strecke ergeben hätten. Die PDS betonte, dass mit der Zahlung von privaten und öffentlichen Spenden an die Opfer keinerlei eventuelle Schadensersatzansprüche gegen die DB abgegolten sein könnten.