Änderung des Telekommunikationsgesetzes als "übereilt" abgelehnt
Berlin: (hib/HAU) Wenig Unterstützung unter Sachverständigen und Experten hat ein von der Bundesregierung eingebrachter Gesetzentwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes ( 14/9194, 14/9237) gefunden. Der Entwurf soll der Forderung der Europäischen Kommission nach mehr Wettbewerb in deutschen Ortsnetzen Rechnung tragen. Dazu soll ähnlich den Verfahren im Fernnetz auch in Ortsnetzen das Prinzip des "Call-by-call-Verfahrens" zugelassen werden. In einer öffentlichen Anhörung im Unterausschuss "Telekommunikation und Post" des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie wurde der Entwurf am Montagnachmittag jedoch mehrheitlich als "übereilt" und "wettbewerbsfeindlich" bezeichnet und seine Aussetzung bis zur im Herbst geplanten großen Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) gefordert.
Die Monopolkommission der Bundesregierung kritisiert in ihrem aktuellen Hauptgutachten den fehlenden Wettbewerb im Ortsnetz und begrüßt alle Bestrebungen zur Verbesserung der Situation. Das zentrale Problem des Wettbewerbs in Ortsnetzen sei jedoch nicht die Frage der Einführung von Call-by-call-Verfahren, sondern die Monopolstellung der Deutschen Telekom AG bei den Teilnehmeranschlüssen. 99 Prozent der analogen und 86 Prozent der ISDN-Anschlüsse würden von der Telekom betrieben. Der Vertreter der Monopolkommission, Klaus Holthoff-Frank, begrüßte dennoch die Initiative, verlangte aber eine Erweiterung von Infrastrukturmaßnahmen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Vor einer Überschätzung der Effekte für den deutschen Arbeitsmarkt warnte der Vertreter der Dienstleistungsgesellschaft Ver.di, Christoph Heil. Call-by-call-Diensteanbieter richteten weniger und zumeist schlecht bezahltere Jobs als infrastrukturelle Anbieter ein. Er sprach sich für Anreizsysteme aus, die dazu führen sollen, dass Diensteanbieter auch in eine eigene Infrastruktur investieren. Den vorliegenden Entwurf lehnte er als "überstürzt" ab und forderte eine Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens.
Für die Deutsche Telekom AG kommt der "Paradigmenwechsel" der Bundesregierung zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt, sagte ihr Vertreter Andreas Krautscheid. Investoren, die sich auf einen lange Zeit auch von der Bundesregierung bevorzugten infrastrukturellen Wettbewerb eingerichtet hatten, seien enttäuscht und verunsichert. Es gebe keinen Anreiz in Infrastruktur zu investieren, wenn auch mit einfachen Mittel Geld verdient werden könne. Der Experte forderte ebenfalls, das Problem in die kommende große Reform des Telekommunikationsgesetzes zu integrieren. Auch im internationalen Vergleich zeige sich, dass Wettbewerb in Ortsnetzen schwieriger zu gewährleisten ist als im Fernnetz, erklärte der Vertreter der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, Friedhelm Dommermuth. Die geringeren Gewinnmargen der Unternehmen im Ortsnetz seien dafür ein Grund. Professor Christian Kirchner von der Humboldt-Universität zu Berlin sieht den Infrastrukturwettbewerb unter Druck geraten, wenn Call-by-call-Verfahren möglich würden. Er befürchtet einen "Strohfeuerwettbewerb" unter Billiganbietern sowie eine sehr starke Ortsdifferenzierung zu Lasten der Flächenländer. Die zu der Initiative Anlass gebende EU-Position bezeichnete er als "nicht konsistent". Vor dem Europäischen Gerichtshof hätte sie keinen Bestand, erklärte der Jurist. Der Bundesverband der regionalen und lokalen Telekommunikationsgesellschaften wirft der Bundesregierung eine einseitige Unterstützung der Diensteanbieter vor. Die Einführung des Call-b call-Verfahrens würde Unternehmen, die in Infrastrukturmaßnahmen investiert hätten, "die Füße wegziehen".