Krankenkassen erwarten für 2007 und 2008 höhere Beitragssätze
Berlin: (hib/MPI) Die gesetzlichen Krankenkassen rechnen mit einer deutlichen Beitragssatzerhöhung, falls die Bundesregierung bei der Kürzung des Bundeszuschusses für so genannte versicherungsfremde Leistungen bleibt. In einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses zu den sozialpolitischen Wirkungen des geplanten Haushaltsbegleitgesetzes (16/752) sagte der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, Klaus Jacobs, am Donnerstagnachmittag, er erwarte für das kommende Jahr eine Erhöhung um 0,4 und für 2008 um 0,5 Beitragspunkte.
Er fügte hinzu, dies sei notwendig, um die zusätzliche Belastung der Kassen von insgesamt knapp 9 Milliarden Euro für beide Jahre auszugleichen. Neben der geplanten dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 schlagen nach der Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen vor allem die vorgesehenen Änderungen beim Bundeszuschuss zu Buche. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, den Bundeszuschuss für Leistungen wie Mutterschutzgeld und Krankenausfallgeld bei Erkrankung eines Kindes im kommenden Jahr von heute 4,2 Milliarden Euro auf 1,5 Milliarden Euro zu kürzen und ihn im Jahr 2008 ganz zu streichen. Der Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Köln, Eckart Bomsdorf, äußerte die Erwartung, dass mit dieser Maßnahme der Druck auf die Kassen, "für eine echte Strukturreform zu sorgen", wachsen werde.
In der Sitzung warnten mehrere Arbeitsmarktexperten zudem vor einem massiven Abbau von Minijobs, falls es bei der geplanten Erhöhung des Arbeitgeber-Pauschalbeitragssatzes von 25 auf 30 Prozent bleibt. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks wies die Abgeordneten darauf hin, dass in der Folge für den Bund ein Finanzierungsproblem entstehen könnte. Im September 2005 hätten 462.000 Empfänger von Arbeitslosengeld II einen Minijob gehabt. Fielen viele davon weg, müssten in diesem Bereich vom Bund höhere Leistungen erbracht werden.
Ein weiterer Punkt des Gesetzentwurfs der Bundesregierung betrifft die Arbeitsentgeltverordnung. Vorgesehen ist, zukünftig die Sozialabgabenfreiheit der Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge auf einen Grundlohn von 25 Euro pro Stunde zu begrenzen. Dazu sagte Helmut Rudolph vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, aus der Maßnahme ergäben sich kaum höhere Einnahmen für die Krankenkassen, denn einen Stundenlohn von mehr als 25 Euro kassierten nur ganz wenige Tarifgruppen etwa in der Autoindustrie.
Zu der geplanten Streichung des Defizitzuschusses des Bundes an die Bundesagentur für Arbeit (BA) sagte deren Vorstandsmitglied Raimund Becker, nach bisherigen Überlegungen falle bei der BA damit ein Minus von 3 Milliarden Euro an. Möglicherweise werde der erwirtschaftete Überschuss aber über den bislang unterstellten 1,8 Milliarden Euro liegen, mit denen ein Teil dieses Defizits ausgeglichen werden könne. Eine exaktere Prognose über ihre Haushaltsentwicklung werde die BA voraussichtlich in der kommenden Woche vorlegen.