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Im 13. Regierungsjahr der sozialdemokratischen Koalition scheinen 1982 die Gemeinsamkeiten von SPD und FDP zu schwinden. Bundeskanzler Helmut Schmidt stellt im Februar die Vertrauensfrage mit dem offensichtlichen Ziel, die „Nebelgespinste aus der Gerüchteküche der letzten Tage und Wochen in nichts auflösen“ zu können, wie sich der damalige FDP-Fraktionschef Wolfgang Mischnick ausdrückt. Aber Schmidt erreicht nur mehr Zeit, kein nachhaltig belastbares Bündnis. Im Sommer werden die Meinungsverschiedenheiten über die Wirtschaftspolitik und die Staatsfinanzen unüberwindbar. Am 17. September kündigt er die Koalition auf und führt eine Minderheitsregierung.
Derweil sprechen CDU/CSU und FDP über eine gemeinsame Regierung. Als sie sich einig sind, hat der Bundestag am 1. Oktober zum zweiten Mal in der Geschichte über ein Konstruktives Misstrauensvotum abzustimmen. Der damalige Parlamentarische Geschäftsführer Wolfgang Bötsch (CSU) erinnert sich an eine „gewisse Nervosität“. Niemand weiß, wie viele FDP-Abgeordnete in der geheimen Abstimmung tatsächlich den Machtwechsel mitmachen. Außerdem hängt, sagt Bötsch, „das Damoklesschwert von 1972 über der 1982er Veranstaltung“. Zehn Jahre zuvor war sich die CDU/CSU ebenfalls sicher gewesen, den SPD-Kanzler stürzen zu können – und scheiterte. Später stellt sich heraus, dass Bestechungsgelder im Spiel waren.
Aber 1982 reicht die Mehrheit: Helmut Kohl ist Kanzler. „Zunächst einmal Befreiung“, beschreibt Bötsch das Gefühl derjenigen, die binnen Sekunden von Oppositions- zu Regierungsabgeordneten werden. Manche sind auch nachdenklich, wie Bötsch: „Au, au, jetzt kommen schwierige Zeiten auf uns zu, weil wir jetzt alle Probleme selbst lösen müssen.“
Niemand ahnt in dieser Stunde, dass Helmut Kohl und die Koalition der Mitte 16 Jahre regieren werden. Sie wollen zunächst einmal die Weichen auf den wichtigsten Politikfeldern neu stellen und dann möglichst schnell zu Neuwahlen kommen, um das Mandat für eine volle Wahlperiode zu erhalten. Dazu bedarf es der vorzeitigen Auflösung des Bundestages, der Bundespräsident Karl Carstens nach einer von Kohl vorsätzlich verlorenen Vertrauensfrage mit Bedenken nachkommt. Die Koalition argumentiert, das von ihr vereinbarte Dringlichkeitsprogramm sei erfüllt, für eine Weiterarbeit gebe es daher keine ausreichende parlamentarische Grundlage mehr. Die neue Koalition wird vom Wähler Anfang März bestätigt, Kohl daraufhin erstmals vom Bundestag als Kanzler wiedergewählt.
Text: Gregor Mayntz
Foto: picture-alliance
Erschienen am 14. Februar 2005
Vertrauensfrage: Nach
Artikel 68 kann der Bundeskanzler jederzeit beantragen, dass ihm
der Bundestag das Vertrauen ausspricht. Der Regierungschef hat
damit praktisch eine Art Disziplinierungsmittel in der Hand,
insbesondere für Situationen, in denen die
„eigenen“ Abgeordneten nicht mehr hinter seiner Politik
stehen. Damit kann ihnen der Ernst der Lage vor Augen geführt
werden. Denn sollte die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages
(die so genannte „Kanzlermehrheit“) kein Vertrauen mehr
haben, kann der Bundespräsident das Parlament auflösen
und es folgen Neuwahlen.
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Konstruktives
Misstrauensvotum: Dieses Instrument entstand als
Schlussfolgerung aus dem Scheitern der Weimarer Republik. Dort
konnten sich verschiedene Minderheiten destruktiv zusammenfinden
und den Kanzler stürzen, ohne selbst regierungsfähig zu
sein. Artikel 67 des Grundgesetzes schreibt dagegen vor, dass das
Misstrauen gegen einen Kanzler nur dadurch ausgesprochen werden
kann, dass der Bundestag zugleich einen Nachfolger wählt. 1972
unterliegt Rainer Barzel (gegen Willy Brandt), 1982 gewinnt Helmut
Kohl (gegen Helmut Schmidt).
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Auflösung: Der
Bundestag soll nicht jedes Mal dann neu gewählt werden
können, wenn es der Mehrheit gerade günstig erscheint.
Die Möglichkeit zur Auflösung des Parlaments hat der
Bundespräsident für verfahrene Situationen zur Hand, in
denen der Kanzler nach verlorener Vertrauensfrage Neuwahlen will
und keine Kanzlermehrheit in Sicht ist. Das ist 1982 nur schwer
darstellbar. Deshalb fragt Präsident Carstens alle Parteien,
ob sie Neuwahlen wollen und stellt dann klar, „dass ich den
Bundestag nicht auflösen würde, wenn nach meiner
Überzeugung eine Mehrheit im Bundestag sich auf diesem Wege
Vorteile bei der Wahl unter Verletzung der Interessen der
Minderheit verschaffen würde“.
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