Zeugen könnten sich "Beichtrichter" offenbaren(bn) Die Einführung eines "Beichtrichters" bei Zeugenvernehmungen durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse hat der Hagener Rechtswissenschaftler Professor Martin Morlok am 10. Mai in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vorgeschlagen. Der Ausschuss befragte Sachverständige zu Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen (14/2518) und der F.D.P. (14/2363) zum Recht der Untersuchungsausschüsse sowie zu einem Antrag der F.D.P. (14/2365) zur Geschäftsordnung des Bundestages. Dieser Beichtrichter könnte nach den Vorstellungen Morloks Zeugen, die sich auf ein Aussageverweigerungsrecht berufen, vernehmen und selbst feststellen, ob eine Selbstbelastung droht und auf welchen Gebieten die Beantwortung von Fragen dem Zeugen nicht schadet. Derzeit gebe es die missliche Situation, dass ein Zeuge unter Berufung auf Paragraf 55 der Strafprozessordung die Aussage wegen drohender Selbstbelastung verweigern kann. Kronzeugenregelung denkbarDer Beichtrichter hätte dabei nach Ansicht Morloks eine Zeugnisverweigerungspflicht, wobei ergänzend für den Fall eines Verstoßes dagegen ein Beweisverwertungsverbot eingeführt werden sollte. Denkbar wäre auch eine Kronzeugenregelung zugunsten des parlamentarischen Ermittlungsinteresses, so der Professor. Um dem öffentlichen Interesse an Aufklärung Vorrang zu verschaffen, wenn wesentliche Zeugen durch eine Aussage in die Gefahr kommen, sich selbst strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, könnte nach seinen Worten daran gedacht werden, das öffentliche Interesse höher zu gewichten als das Strafverfolgungsinteresse. Überwiegt das öffentliche Interesse, könnte ein Zeuge dadurch straffrei gestellt werden. Nach Auffassung von Armin Nack, Richter am Bundesgerichtshof, könnte der Beichtrichter sein Wissen nicht geheim halten. Er müsste auch Beugehaft verhängen können, und diese wiederum müsste einer Beschwerde standhalten. Nack sprach sich auch gegen ein Verwertungsverbot aus. Das individuelle, grundrechtlich geschützte Schweigerecht ginge einem Auskunftsrecht des Bundestages vor. Auch Regierungsmitgliedern müsse das Auskunftsverweigerungsrecht im Ausschuss gewährt werden. Professor Christine Landfried, Politikwissenschaftlerin aus Hamburg, sieht die Zeit reif für ein Gesetz über das Recht der Untersuchungsausschüsse. Damit könnte einer weiteren Verrechtlichung der Politik vorgebeugt werden, meinte sie. Die Wissenschaftlerin schlug vor, nicht nur Abgeordnete in Untersuchungsausschüsse zu berufen, sondern sie auch für Bürger zu öffnen. Für den Berliner Rechtswissenschaftler Professor Klaus Rogall kann eine gesetzliche Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse zur Klärung rechtlicher Streitfragen beitragen und damit die Rechtssicherheit erhöhen. Sie wäre daher sinnvoll, auch wenn nicht festgestellt werden könne, dass die jetzige Rechtslage das Eingreifen des Gesetzgebers zwingend erfordert. Rechtssicherheit erhöhenFür eine gesetzliche Regelung plädierte auch der Frankfurter Rechtsanwalt Joachim Gres. Während der Koalitionsentwurf eine sehr weite Ausdehnung des Untersuchungsauftrages durch Mehrheitsbeschluss des Bundestages zuließe, empfehle die F.D.P., dass bei einer Ergänzung des Auftrags durch einen Parlamentsbeschluss der Kern des ursprünglich beantragten Untersuchungsgegenstands erhalten bleiben müsse. Von Ton- und Filmaufnahmen während der öffentlichen Sitzung riet Gres "dringend" ab. Christine Landfried hatte dazu vorgeschlagen, die Entscheidung darüber jeweils dem Ausschuss selbst vorzubehalten. Der Bonner Rechtswissenschaftler Professor Wolfgang Löwer meinte wie sein Kollege Morlok, der Minderheitenschutz sollte nicht übertrieben werden. Nicht unproblematisch sei auch die Verfahrensherrschaft der Mehrheit im Ausschuss. Bisherige Rechtsgrundlage für die Arbeit der Untersuchungsausschüsse ist Artikel 44 des Grundgesetzes. Ein Ausführungsgesetz dazu gibt es bislang nicht. |