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Frauen an die Macht?
Mit flotten Macho-Sprüchen lässt sich frau von heute nicht mehr provozieren. Jedenfalls ignorierten die Parlamentarierinnen aus den fünf Bundestagsfraktionen ein Politikerzitat aus den Anfangsjahren der Republik. Ein bayerischer Landtagspräsident wurde mit der Bemerkung wiedergegeben, eine einzelne Frau entfalte im Parlament die Wirkung einer Rose, eine größere Zahl wirke dagegen wie Unkraut.
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Podiumsdiskussion mit Sabine Leutheuser-Schnarrenberger, Vizepräsidentin Petra Bläss und Prof. Dr. Heinrich Oberreuter (von rechts) |
Fünfzig Jahre später diskutierten im Reichstagsgebäude Politikerinnen das Thema "Frauen an die Macht? Neues Selbstverständnis und neue Selbstverständlichkeiten in Parteien und Parlament". Mit Befriedigung stellten sie fest, nicht länger von den Männern entlehnte Macht auszuüben, sondern Spitzenämter aus eigener Kraft erkämpft zu haben. Beispiel Angela Merkel. "Die Frauen sagen jetzt, wir nehmen uns die Macht", kommentiert die frühere Parlamentspräsidentin Rita Süssmuth den rasanten Aufstieg der Parteifreundin zur CDU-Chefin. "Abwarten", rät Ulla Schmidt von der SPD, die von einem "punktuellen Signal" spricht. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende: "Frausein ist allein noch kein Programm." Der Vormarsch der Frauen in der Politik wäre ohne Quote nicht möglich gewesen, waren sich die Abgeordneten einig. Mit einer Ausnahme. Die FDP-Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schaffte es zur Bundesjustizministerin – trotz fehlender Quote in der Parteisatzung. Mit der ausgeprägten Fähigkeit der Juristen zu analytischem und abstraktem Denken erklärt die Ex-Ministerin verschmitzt den relativ frühen Aufstieg von Frauen in der Rechtspolitik. Bundestagsvizepräsidentin Petra Bläss hat andere Erfahrungen gesammelt. "Im Moment hat die PDS-Fraktion den höchsten Frauenanteil, ohne Quote würde das knallhart zurückgehen." Nicht zuletzt wegen der informellen Netzwerke, die die männlichen Kollegen so geschickt zu knüpfen verstünden. Frauen dürften nicht länger nur inhaltlich streiten, gefragt seien strategische Absprachen, um Positionen zu besetzen, meint die ostdeutsche Abgeordnete, die 1990 über den Unabhängigen Frauenverband (UFV) in die Politik gekommen ist.
Christine Scheel vom Bündnis 90/Die Grünen empfiehlt aus eigener Kenntnis: "Wenn es um Machtpositionen geht, muss man einfach durchzocken." Und als Vorsitzende des Finanzausschusses hat sie beobachtet: "Man muss fachlich perfekt funktionieren, sonst heißt es, guck mal, die Frau."
Jörg Kürschner
Infos
Das Protokoll der Diskussion kann beim Veranstalter, der "Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen" (Platz der Republik, 11011 Berlin), gegen einen Unkostenbeitrag von drei Mark (Briefmarken) angefordert werden.
Die 1970 von Wissenschaftlern, Parlamentariern und Journalis-ten gegründete Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen will zu einem besseren Verständnis des parlamentarischen Regierungssystems beitragen. Dazu veranstaltet sie Seminare, Vorträge und Diskussionen – unabhängig und kritisch. Die Vereinigung gibt die "Zeitschrift für Parlamentsfragen" heraus, die vierteljährlich erscheint.