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Wie der Bundestag die Geheimdienste kontrolliert
Gestatten, mein Name ist PKG
Jeder kennt 007. Aber jeder weiß, dass Spione in Wirklichkeit nicht im Fernsehen auftreten. Schließlich arbeiten die Nachrichtendienste geheim. Vertraulichkeit ist ihr Geschäft. Aber wer kontrolliert im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger, dass bei den Diensten alles mit rechten Dingen zugeht? Schließlich darf es in einem Rechtsstaat auch im Vertraulichen keinen rechtsfreien Raum geben. Anlass genug, einen weitgehend unbekannten Begleiter der deutschen Geheimdienste einmal näher vorzustellen: Gestatten - sein Name ist Ge, Peka Ge. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages, kurz PKG. Dessen neun Mitglieder sind weder gerührt noch geschüttelt, sondern von der Mehrheit des Parlamentes ordentlich jeweils für eine Legislaturperiode gewählt, um im Auge zu behalten, was sich ansonsten dem Blickfeld der Öffentlichkeit entzieht. Blickpunkt Bundestag durfte ein wenig in ihre Karten schauen.
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James Bond hat M. Und M., der Chef, ist längst eine Chefin geworden. Seit dem 1. Juli ist auch der PKG-Chef eine Frau, die SPD-Bundestagsabgeordnete Anni Brandt-Elsweier. Doch ihre Aufgabe hat mit dem Job von M. wenig zu tun. Brandt-Elsweier gibt den deutschen Geheimdienstmitarbeitern keine Aufträge. Sie hat lediglich die Lizenz zur Kontrolle. Ihr Gegenüber sind nur indirekt der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Militärische Abschirmdienst (MAD). Ihr Gegenüber ist die Regierung, genauer: Kanzleramt, Innenministerium und Verteidigungsministerium, denn diese sind für BND, BfV und MAD im Einzelnen zuständig, zusätzlich werden alle drei im Kanzleramt koordiniert .
Dennoch lebt die Kontrolle auch von direktem Kontakt. Die Vertreter der Dienste erstatten der PKG bei seinem meist einmal monatlich angesetzten Sitzungen Bericht. Dabei ist grundsätzlich alles geheim, damit die Fakten auch ohne Rückhalt auf den Tisch kommen können. Als der Bundestag noch in Bonn tagte, trafen sich die Geheimdienstkontrolleure in dem absolut abhörsicheren Bunker unterhalb des Plenarsaales. Auch in Berlin werden solche Sitzungssäle entstehen, in denen neben dem PKG die verschiedenen, ebenfalls vertrauliches Material behandelnden Ausschüsse zum Beispiel im Bereich Auswärtiges, Verteidigung oder Inneres tagen können. Doch diese Räume werden erst im nächsten Frühjahr fertig sein. So behilft man sich, behält den Ort der Treffen geheim und lässt von Sicherheitsprofis immer wieder überprüfen, ob die Räumlichkeiten "sauber" sind.
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PKG-Vorsitzende Anni Brandt-Elsweier. |
"Sauber" heißt dabei mehr als rein. Wanzenfrei zum Beispiel. Mit Spezialgerät wird der Saal untersucht, und während der Sitzung müssen die Jalousien runter- und die Vorhänge vorgezogen sein. Denn dass man über die Vibrationen, die die Töne auf den Scheiben auslösen, von außen mit Spezial-Lauschgerät auf die gesprochenen Worte im Inneren schließen kann, verbindet die Praktiken in 007 wieder mit dem realen Geheimdienstalltag. Mit wenig Aufwand ließe sich auch auf das Thema schließen, wenn beobachtet werden könnte, welche Mitarbeiter den Abgeordneten jeweils Rede und Antwort stehen. Deshalb soll auch niemand wissen, wann das PKG wo zusammenkommt.
Nicht nur in Berlin findet Kontrolle durch Bericht statt. Seit der Änderung des Geheimdienst-Kontrollgesetzes (PKGrG) im Sommer vergangenen Jahres können die neun Mitglieder des Gremiums auch unangemeldet die Nachrichtendienste aufsuchen und nach dem Rechten sehen. Der gewöhnliche Abgeordneten-Ausweis genügt, und schon gehen für das PKG-Angehörigen die ansonsten geschlossenen Türen auf.
Eine der letzten Reisen führte das PKG nach Bad Aibling. Dort unterhält die National Security Agency, die amerikanische Sicherheitsagentur, eine Funkstation, über die zuvor die wildesten Abhör-Gerüchte durch deutsche Medien gewandert waren. Auf Einladung der Amerikaner ließen sich die Abgeordneten die ebenfalls streng geheime Arbeit erläutern und gaben ihre - beruhigenden - Erkenntnisse anschließend zu Protokoll. So wurde das Ganze zu einer vertrauensbildenden Maßnahme. Und genau so begreift der Bundestag eine wichtige Funktion des Gremiums auch in Bezug auf die drei deutschen Dienste: Die Bevölkerung soll sich darauf verlassen können, dass im Verborgenen nichts Verbotenes geschieht.
Aus diesem Grund sind auch die Arbeiten der früheren G-10-Kommission und der früheren Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) in dem neuen PKG zusammengeführt worden. Der Überblick soll vollständig sein. So schaut das PKG nun auch auf die Abhör- und Überwachungsaktivitäten, die nach dem G-10-Gesetz die Brief- und Fernmeldefreiheit (Grundgesetz-Artikel 10) des Einzelnen dann einschränken, wenn Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefährdungen der Sicherheit vorliegen. Da geht es nicht um uferloses Mitlesen oder Mithören. Wie das PKG in seinem Bericht im Herbst vergangenen Jahres ausführte, sind etwa aus dem Bereich des internationalen Rüstungshandels binnen anderthalb Jahren 5.093 Meldungen nachrichtendienstlich relevant gewesen, von denen danach 27 an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet worden sind. Was den internationalen Drogenhandel anbelangt, lautet die Berichtspassage: "Nachrichtendienstlich relevant war eine Meldung. An Justiz- und Sicherheitsbehörden wurden keine Meldungen übermittelt."
Kontrolle kann auch beratend geschehen. Zum Beispiel bei der Aufstellung der Einnahmen- und Ausgabenpläne der Geheimdienste. Diese heißen Wirtschaftspläne. In den Einzelhaushalten von Kanzleramt, Innen- und Verteidigungsministerium werden für die drei Nachrichtendienste nur pauschale Blöcke angeführt, damit niemand über die Erkundung einzelner Haushaltstitel etwa Rückschlüsse auf aktuelle Geheimdienst-Operationen ziehen kann. Doch in der internen Aufstellung ist auch der Rat der Experten gefragt. Schließlich ist das Haushaltsrecht das so genannte Königsrecht des Parlamentes. Da können sowohl die Mitglieder des Vertrauensgremiums innerhalb des Haushaltsausschusses (die ebenfalls Einblick in die Geldflüsse bei BND, BfV und MAD erhalten) als auch das PKG wertvolle Tipps geben. Innerhalb des Parlamentarischen Kontroll-Gremiums haben sich einige Mitglieder in diesem Bereich weiter spezialisiert - auf die Infrastruktur der Dienste und ihre Investitionen, auf ihr Personal und auf ihre Operationen.
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Lauschangriff: Der Tagungsraum des PKG muss abhörsicher sein. |
Aber wer auch immer von welchen Geheimdienst-Interna Kenntnis erlangt - die Devise heißt anschließend nur: Psssst! Kein Wort darf über die Lippen. Und wenn die Aufgabe noch so spannend ist, das Gehörte noch so faszinierend - weder dem Fraktionskollegen noch dem eigenen Ehepartner dürfen die Mitglieder auch nur ein Sterbenswörtchen anvertrauen. Ob es um Sitzungsunterlagen oder eigene Aufzeichnungen geht - alles verschwindet im Safe. Nach der Geheimschutzordnung des Bundestages gibt es strenge Auflagen für jede Information, die nur für den Dienstgebrauch oder vertraulich eingestuft worden ist. Und ab der Verschlusssachen-Stufe "geheim" greifen zusätzliche Sicherheitsanforderungen, die penibelst einzuhalten sind. Deshalb hat jedes PKG-Mitglied einen Panzerschrank im Büro, und jeder Mitarbeiter, ob er nun Tatsachen recherchiert oder nur eine Tasse Kaffee in die laufende Sitzung bringt, hat eine spezielle Sicherheitsüberprüfung hinter sich.
Schließlich geht es um nicht mehr oder weniger als die Sicherheit und den Bestand der Bundesrepublik Deutschland - beim Bundesamt für den Verfassungsschutz um innere, vornehmlich extremistische Aspekte, beim Bundesnachrichtendienst um auswärtige und internationale Bedrohungen und beim Militärischen Abschirmdienst um versuchtes Schwächen oder Auskundschaften der Bundeswehr. Die Erkenntnisse haben es in sich. Beispiel BND, hier zitiert aus dem gerade veröffentlichten Bericht des PKG: "Die besondere Aufmerksamkeit des Kontrollgremiums galt - wie in den Vorjahren - den beträchtlichen Gefahren, die sich aus den Aufrüstungsbemühungen einiger Schwellenländer im Bereich der atomaren, biologischen und chemischen Waffen (ABC-Waffen) sowie der Entwicklung von Trägerraketen ergeben. Die damit einhergehende Verbreitung (Proliferation) dieser Massenvernichtungsmittel in Regionen außerhalb des Gebietes der NATO und des ehemaligen Warschauer Paktes bedeutet eine ernsthafte und wachsende Gefährdung des Weltfriedens." Das zeigt, wie wichtig es ist, auf diesem Gebiet auf dem Laufenden zu bleiben - und auch die Öffentlichkeit über diese Geheimdienst-Erkenntnisse zu informieren.
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BND-Chef August Hanning |
Die - öffentlichen und daher nur zusammenfassenden - Berichte an den Bundestag erstattet das Gremium jeweils zur Halbzeit und zum Ende einer Wahlperiode. Bei brisanten Vorgängen können die neun Abgeordneten, wenn dies mindestens sechs von ihnen verlangen, auch aktuell gegenüber der Öffentlichkeit Stellung nehmen. Unter der Überschrift "Vertrauensbildung" geschieht dies gelegentlich. Zuletzt zum Beispiel nach einer sehr kontrovers diskutierten Reise des BND-Chefs nach Tschetschenien. Die "öffentliche Bewertung" lautete: "Das Parlamentarische Kontrollgremium begrüßt, dass weiterhin gute Kontakte auch im Bereich der Nachrichtendienste zwischen Deutschland und Russland bestehen. Der aktuelle Besuch des BND-Präsidenten Dr. August Hanning fand in diesem Zusammenhang statt und diente deutschen Interessen."
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Krieg und Flüchtlingselend in Tschetschenien: Das PKG befasste sich mit der Reise von BND-Chef August Hanning in die umkämpfte Region. |
Solche Sätze laden Journalisten natürlich zum Nachfragen ein: Was hat er dort genau gemacht? Wen hat er getroffen? Welche Erkenntnisse hat er dort gewonnen? Hat das PKG darüber diskutiert? Gab es verschiedene Auffassungen? Alle diese Fragen und viele mehr bleiben jedoch ohne Antwort. Die "öffentliche Bewertung" ist Wort für Wort während der PKG-Sitzung formuliert worden - und darüber hinaus gibt es nichts. Punkt. Schließlich kämen die Abgeordneten über die Antworten sehr schnell in den Bereich, der "geheim" gestempelt ist. Und wenn sie daraus plauderten, machten sie sich strafbar. Ein weiterer Ausweg, der auch ab und zu bei brisanten Vorgängen gewählt werden kann, ist die PKG-Empfehlung an die Bundesregierung, von sich aus wenigstens die Fraktionsvorsitzenden "einzuweihen".
Diese Gratwanderung zwischen öffentlichem Kontroll- und Informationsinteresse und notwendiger Geheimhaltung erschien den Beteiligten zu Beginn der Geheimdienstarbeit in der Bundesrepublik als zu schwierig. Es war ein weiter Weg bis zu der jetzigen intensiven Beteiligung der Parlamentarier. Dabei hat sicherlich auch das Ende des Kalten Krieges und die damit einhergehende Öffnung beigetragen. Geheimdienste wissen, dass Vertrauen in die eigene Arbeit sowohl bei der eigenen Bevölkerung als auch bei den Regierungen anderer Staaten ein Mindestmaß an Transparenz voraussetzt. Das war zu Beginn der Republik noch anders. In den ersten Jahrzehnten informierte die Regierung einige ernannte (noch nicht gewählte) Vertrauensmänner der Fraktionen nur von Fall zu Fall. Eine regelmäßige und systematische Einbindung gibt es erst seit 1978, und die letzte Stufe kam erst 1999. Neuerdings kann das PKG auch Experten als sachverständige Berater hinzuziehen und sich, wie geschildert, selbst jederzeit ein Bild an Ort und Stelle machen.
Und: Die knapp 6.000 BND-Angehörigen, die rund 3.000 Verfassungsschützer und die wenigen hundert MAD-Mitarbeiter können sich jederzeit auch direkt an das Gremium wenden, wenn sie mit Vorschlägen zur organisatorischen Verbesserung bei ihren Vorgesetzten nicht durchgedrungen sind. Im Unterschied zum Wehrbeauftragten des Parlamentes, der für alle Soldaten ein offenes Ohr hat, ist das PKG jedoch weder Kummerkasten noch Frühwarnsystem für persönliche Unzufriedenheit. Die Parlamentarier können und wollen sich nicht in die Mitarbeiterführung und Karriereplanung der Dienste einmischen. Sie wollen aber erreichbar sein für organisatorische Missstände und deren mögliche Behebung.
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Zentrale des BND in Pullach: Die Mitarbeiter können sich direkt an das PKG wenden. |
Der Teamcharakter und die Ausnahmestellung jenseits parteipolitischer Auseinandersetzung kommt auch in dem halbjährlichen Wechsel im Vorsitz zum Ausdruck. Bis zum 30. Juni, 24 Uhr, war der CDU-Abgeordnete Hartmut Büttner aus Sachsen-Anhalt PKG-Chef. Seit dem 1. Juli, null Uhr, ist es die nord-rhein-westfälische SPD-Abgeordnete Anni Brandt-Elsweier. Wie empfinden Sie den Übergang vom alltäglichen öffentlichen Streit zur Arbeit im Geheimen? Brandt-Elsweier erinnert sich an die Auflagen, die sie beim Übergang vom alten in den neuen Beruf bekam: Als Politikerin durfte sie keinen Gebrauch von den internen Kenntnissen machen, die sie in ihrer Tätigkeit als Richterin erhalten hatte. Von daher war es für sie keine völlige Umstellung, Internes auch auf jeden Fall für sich zu behalten. Hartmut Büttner, einer der wenigen Handwerksmeister im Parlament, kam hingegen mit dem Eintritt in das PKG in eine völlig andere Welt: "Ich kannte die Geheimhaltung vorher nur bei den Rezepturen für Wurst."
Ob Wurst mit dem Qualitätssiegel "made in Germany" oder Geheimdienstkontrolle "made by Bundestag" - beides strahlt ins Ausland aus. Seit einigen Jahren ist die PKG-Arbeit zu einem regelrechten Exportschlager geworden. In manchen Monaten geben sich die Geheimdienstgremien anderer Länder in Berlin die Klinke in die Hand, um aus nächster Nähe zu erfahren, wie man die Gratwanderung am besten organisieren und das Absturzrisiko möglichst gering halten kann. Viele werdende Demokratien, die oft genug mit der Erblast riesiger Geheimdienst-Vergangenheiten zu kämpfen haben, holten sich schon Rat bei dem PKG und guckten sich die Verfahren für die eigene Geheimdienstkontrolle ab. Manche gehen dabei sogar noch weitere Schritte. Und deshalb versteht das PKG den Austausch von Erfahrungen mit Kollegen aus anderen Ländern nicht als Einbahnstraße. In Polen etwa werden die parlamentarischen Geheimdienstkontrolleure bei der Bestellung der Chefposten von der Regierung mit gehört. Das können sich die PKG-Mitglieder künftig auch in Deutschland vorstellen.
Gregor Mayntz
Internet
Informationen über die Mitglieder des PKG finden Sie im
Internet unter www.bundestag.de/gremien/parlkon/index.html
Auch die Institutionen, die von dem Gremium kontrolliert werden,
sind im Internet vertreten: das Bundesamt für
Verfassungsschutz unter
www.verfassungsschutz.de
der BND unter
www.bundesnachrichtendienst.de
Den Militärischen Abschirmdienst erreichen Sie über die
Internetseiten der Bundeswehr:
www.bundeswehr.de. Dann unter "Suchen" die
Abkürzung MAD eingeben.