GESCHICHTE DES WAHLRECHTS
Der Kampf um gleiche Wahlen in Deutschland
In Demokratien ist es heute selbstverständlich, dass die Volksvertreter in allgemeinen, freien, gleichen und geheimen Wahlen bestimmt werden. Das war nicht immer so. Die nach den ersten Verfassungen in Deutschland Anfang der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewählten Kammern tasteten die Macht der Fürsten nicht an, und an den Wahlen durften nur Männer mit einem bestimmten Einkommen teilnehmen. Frauen blieben bis 1918 völlig ausgeschlossen. Und unter der Herrschaft der Nationalsozialisten verkamen die Wahlen wie auch später in der DDR zu einem bloßen Propagandainstrument. Ein Blick zurück auf die Geschichte des Wahlrechts.
Paulskirchenversammlung
Das erste demokratisch gewählte deutsche Parlament, die Nationalversammlung, verabschiedete 1849 eine Reichsverfassung. Danach sollten alle männlichen Deutschen mit einem Alter von mindestens 25 Jahren wahlberechtigt sein, sofern sie im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte waren. Die Verfassung wurde aber nicht umgesetzt, weil die Nationalversammlung am Widerstand der Fürsten scheiterte.
Preußischer Landtag
In Preußen wurde ein Wahlrecht per Verordnung bestimmt. Dieses bis 1918 geltende so genannte Dreiklassenwahlrecht räumte allen Männern nach Vollendung des 24. Lebensjahres das aktive Wahlrecht ein. Fürsorgeempfänger waren ausgeschlossen. Die Abgeordneten wurden indirekt, also über Wahlmänner, bestimmt. Dazu wurden die Wähler je nach ihren Steuerzahlungen in drei Klassen aufgeteilt. Jede Klasse bestimmte ein Drittel der Wahlmänner. Das heißt: Wenige Großgrundbesitzer und Adlige hatten genauso viel Gewicht wie die große Mehrheit der Geringverdienenden.
Reichstagssitzung 1909
Nach Gründung des Deutschen Reichs 1871 konnten fast alle Männer ab 25 Jahren Abgeordnete für den Reichstag wählen oder selbst gewählt werden. Frauen blieben ausgeschlossen. Die Wahlkreise repräsentieren jeweils rund 100.000 Einwohner. Auf Grund der starken Landflucht entwickelt sich aber ein großes Ungleichgewicht, so dass die Stimme eines Wählers in einem ländlichen Gebiet mehr Gewicht hatte als die eines Großstadtbewohners. Wahlgeheimnis und Wahlfreiheit wurden erst 1903 mit der Einführung von Wahlumschlägen und Wahlkabinen garantiert.
Frauen gehen 1919 zur Wahl
Nach der Revolution von 1918 wurde eine verfassunggebende Nationalversammlung gewählt. Alle Bürger über 20 Jahren erhielten das aktive und passive Wahlrecht. Erstmals durften sich auch Frauen an der Wahl beteiligen. Die Einführung des Verhältniswahlrechts ermöglichte die Berücksichtigung jeder Stimme, brachte aber die Gefahr einer starken Aufsplitterung der Mandate mit sich, da auch kleine Parteigruppen Abgeordnete entsenden konnten. Das erschwerte die Mehrheitsbildung im Reichstag.
Adenauer verkündet das Grundgesetz
Im 1949 in Kraft gesetzten Grundgesetz wurde das allgemeine, freie, gleiche, geheime und unmittelbare Wahlrecht verankert. Das für die erste Bundestagswahl geltende Wahlrecht entsprach weitgehend dem heutigen. Allerdings hatte jeder Wähler nur eine Stimme, mit der er sowohl einen Kandidaten aus seinem Wahlkreis als auch die Landesliste einer Partei wählte. Die Zweitstimme wurde 1953 eingeführt, die Briefwahl 1956. In den Jahren 1969 und 1972 wurde das Alter für das passive Wahlrecht von 25 Jahren auf 21 und dann auf 18 Jahre herabgesetzt. Seit 1970 kann das aktive Wahlrecht mit 18 statt bis dahin mit 21 Jahren ausgeübt werden.
Sitzung des gesamtdeutschen Bundestages 1990
Für die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 wurden Sonderregelungen getroffen. Der Gesetzgeber teilte das vereinte Deutschland in zwei Wahlgebiete mit jeweils getrennt anzuwendenden Fünf-Prozent-Hürden in den alten und den neuen Ländern. Damit war es zwei Parteien der fünf neuen Länder – dem Bündnis 90/Die Grünen und der PDS – möglich, in den Bundestag einzuziehen.
1871 Nach Gründung des Deutschen Reichs können fast alle Männer ab 25 Jahren Abgeordnete des Reichstags wählen oder selbst gewählt werden.
1918 Mit der Revolution endet in Preußen das so genannte Dreiklassenwahlrecht, das – abhängig von der Steuerzahlung – allen Männern ab 25 Jahren das aktive Wahlrecht einräumt.
1919 An der Wahl der Nationalversammlung dürfen erstmals auch Frauen teilnehmen.
1949 Das Grundgesetz sieht das allgemeine, freie, gleiche, geheime und unmittelbare Wahlrecht vor.
1953 Einführung der Zweitstimme.
1970 Senkung des Alters für das aktive Wahlrecht von 21 auf 18 Jahre.