Koalitionsfraktionen wollen solidarischen Wettbewerb im Gesundheitssystem
Berlin: (hib/BES) Angesichts der angespannten finanziellen Situation in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der zum Teil kontroversen Dauerdiskussion über die Zukunft des deutschen Gesundheitssystems wollen die Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen die GKV modernisieren und nachhaltig verändern. Auch wenn das Gesundheitssystem in Deutschland mit den Grundprinzipien Solidarität, Sachleistungsprinzip und gleicher Leistungsanspruch für alle weltweit als Vorbild gelte, so die Abgeordneten in einen Gesetzentwurf ( 15/1170), gebe es in Teilbereichen Fehl-, Unter- und Überversorgung. Gemessen an den hohen Aufwendungen sei die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland im internationalen Vergleich verbesserungswürdig, schreiben die Parlamentarier weiter. So sei das System zu teuer, zu wenig wirksam und zu wenig an den Interessen der Patientinnen und Patienten orientiert. Der medizinische Fortschritt und die demographische Entwicklung stellten zudem die gesetzliche Krankenversicherung zusätzlich vor große Herausforderungen.
Im Einzelnen sieht der Entwurf unter anderem Maßnahmen zur Steigerung der Qualität der Patientenversorgung, Modernisierung der Versorgungsstrukturen und des ärtzlichen Vergütungs- und Abrechnungssysems und eine Neuordnung der Finanzierung. So soll ein "Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin" entstehen. Ärzte, die für die GKV tätig sind, sollen künftig zur Fortbildung verpflichtet werden. Die Arzneimittelsicherheit soll durch die Einführung des elektronischen Rezepts sowie der elektronischen Gesundheitskarte gestärkt werden. Laut Gesetzentwurf wird das Vertragsrecht in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung flexibilisiert; unter anderem werden Krankenhäuser teilweise für ambulante Versorgung zugelassen, der Neuzugang zur fachärztlichen Versorgung - ausgenommen Frauenärzte und Augenärzte - erfolge in Zukunft nicht mehr über die Erteilung einer Zulassung, sondern durch Einzelverträge mit den Krankenkassen. Die Krankenkassen werden nach dem Willen der Regierungsfraktionen verpflichtet, ihren Versicherten das Hausarztsystem anzubieten. Ein Bonussystem solle die Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten stärken. Boni werde es geben unter anderem für Versicherte, die sich freiwillig in ein Hausarztsystem einschreiben und regelmäßig Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten oder zur primären Prävention in Anspruch nehmen. Für ärztliche Behandlungen gebe es künftig auf Verlangen eine Patientenquittung, aus der Leistungen und Kosten ersichtlich sind. Zur Neuordnung der Finanzierung sieht der Gesetzentwurf folgende Schwerpunkte vor: Zu so genannten versicherungsfremden Leistungen, die keinen Bezug zu Krankheit haben, wird künftig ein Bundeszuschuss gewährt. Hierzu zählen das Mutterschaftsgeld und sonstige Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft, Empfängnisverhütung, Schwangerschaftsabbruch, Haushaltshilfe, Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes sowie die Beitragsfreiheit beim Bezug von Erziehungsgeld, Mutterschaftsgeld oder Inanspruchnahme von Elternzeit. Künstliche Befruchtung und Sterilisation sind künftig eigenverantwortlich zu finanzieren. Herausgenommen aus der Leistungspflicht der Krankenkassen werden darüber hinaus das Sterbegeld und das Entbindungsgeld. Das Krankengeld wird allein durch die Versicherten finanziert. Änderungen soll es auch in der gesetzlichen Krankenversicherung von Rentnern geben: So sollen alle Versorgungsbezüge und Alterseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit von gesetzlich versicherten Rentnern mit dem vollen Beitragssatz belegt werden. Für Bezieher von Renten und Landabgabenrenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Lanwirte bleibt es bei der Anwendung des halben allgemeinen Beitragssatzes. Neu gestaltet werden auch Zuzahlungen und Befreiungsmöglichkeiten. Demnach beträgt die Zuzahlung je nach Packungsgröße 4 Euro, 6 Euro oder 8 Euro. Eine reduzierte Zuzahlung ist unter anderem für Teilnehmer am Hausarztsystem und für chronisch Kranke vorgesehen. In so genannten Härtefällen soll unabhängig von der Packungsgröße ein Betrag von je 1 Euro erhoben werden. Versicherte, die ohne Überweisung ihres Hausarztes einen Facharzt aufsuchen, sollen laut Gesetzentwurf künftig für jede erste Inanspruchnahme eine Praxisgebühr in Höhe von 15 Euro zahlen. Ausgenommen sind Besuche bei Kinderärzten, Frauenärzten und Augenärzten, Psychotherapeuten sowie Notfälle. Die Fraktionen erwarten davon ab 2004 ein finanzielles Entlastungsvolumen für die GKV von etwa 8,5 Milliarden Euro. Zusätzlich erhalte die GKV die derzeit noch nicht quantifizierbaren Mehreinnahmen aus den Erhöhungen der Tabaksteuer 2004 und 2005. Für die Jahre 2004 bis 2006 werden zunächst Abschlagszahlungen in Höhe von 1 Milliarde Euro, 1,5 Milliarden Euro und 2 Milliarden Euro gezahlt, so der Gesetzentwurf weiter.