Experten befürworten mehrheitlich Einführung einer regionalen Flächenprämie
Berlin: (hib/POT) Für die schrittweise Einführung einer regionalen Flächenprämie hat sich die Mehrzahl der Sachverständigen bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zur "Nationalen Umsetzung der Beschlüsse zur EU-Agrarreform" am Montagmittag ausgesprochen. Die vom EU-Agrarrat im Juni beschlossene Reform sieht unter anderem eine Entkopplung der Prämienzahlung von der Produktion, die Stärkung des ländlichen Raums durch die so genannte Modulation sowie die Bindung der Zahlung an Standards in den Bereichen Umwelt- und Tierschutz sowie Lebensmittelsicherheit (Cross compliance) vor. Bei der Umsetzung der Reform ist den Mitgliedstaaten in Bezug auf den Beginn und die Ausgestaltung des agrarpolitischen Prämiensystems ein erheblicher Spielraum eingeräumt worden.
Aus Sicht des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, gibt es kein optimales Modell der Entkopplung. Er sprach sich für den 1. Januar 2005 als Beginn für die vollständige Entkopplung aller Direktzahlungen aus. Im Bereich des Ackerbaus müsse zunächst mit einer betriebsindividuellen Entkopplung der Prämien begonnen werden. Zur Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Mindestausgleichs sei zudem eine Vorabkorrektur nach Bundesländern notwendig, ehe ab 2009 mit dem Umstieg in eine regionale Flächenprämie für den Ackerbau begonnen werden könne. Darüber hinaus warnte Sonnleitner vor Wettbewerbsnachteilen für die deutschen Landwirte, falls andere EU-Mitgliedstaaten nicht ebenfalls 2005 mit der vollständigen Entkopplung beginnen. Wettbewerbsnachteile entstünden immer dann, unterstützte Professor Michael Schmitz (Universität Gießen) die Haltung des Präsidenten des Bauernverbandes, wenn produktionswirksame Instrumente in der EU unterschiedlich ausgestaltet und kontrolliert würden. Aktuelle Beispiel dafür seien die schärferen Standards und restriktiveren Rechtsvorschriften für deutsche Landwirte im Umwelt- und Tierschutz sowie die vorgezogene nationale Modulation.
Der Vertreter des mecklenburg-vorpommerschen Landwirtschaftsministeriums sprach sich für ein Kombinationsmodell aus, das mit regionalen Flächenprämien insbesondere für Ackerkulturen und betriebsbezogene Anteile insbesondere in der Tierproduktion beginnt und schrittweise die betriebsbezogenen Anteile in die Flächenprämie integriert. Langfristiges Ziel müsse es sein, zu einheitlichen Flächenprämien zu kommen. Der Vertreter des baden-württembergischen Ernährungsministeriums wies darauf hin, dass das Land als Alternativmodell die Einführung einer nach Ackerfläche und Grünland differenzierten Flächenprämie, kombiniert mit einer betriebsindividuellen Zusatzprämie, favorisiert hätte. Mit der für das Jahr 2005 geplanten Einführung der Entkopplung müsse ein deutlicher Einstieg in die Umverteilung des Prämienvolumens zwischen den Bundesländern verbunden sein. Hinsichtlich der besonderen Schwierigkeiten für die Milchviehbetriebe in Verbindung mit der Agrarreform müssten geeignete Übergangslösungen gefunden werden. Diesbezüglich favorisierte Professor Folkhard Isermayer eine Entlastung für die Milcherzeuger innerhalb des Systems der Entkopplung. Jede andere Lösung würde der "Philosophie der EU-Agrarreform" widersprechen.
Nach Ansicht von Steuerberater Klaus Egbers (Dr. Gremmeke GmbH) werden bei der Einführung einer regionalen Flächenprämie deutlich weniger Rechtsstreitigkeiten entstehen als bei einer Betriebsprämie. Langfristig fördere das Regionalmodell die Strukturveränderung in der Landwirtschaft jedoch nur, wenn sichergestellt sei, dass die Prämienrechte entweder dauerhaft bei der Fläche verbleiben oder zu einem niedrigen Preis gehandelt werden. Professor Stephan Dabbert (Universität Hohenheim) wies darauf hin, dass Direktzahlungen künftig an bestimmte Standards gebunden werden sollen. Er hielt es jedoch für problematisch, die Nichteinhaltung von Rechtsvorschriften mit zusätzlichen Sanktionen, die nicht in den jeweiligen Umweltgesetzen vorgesehen sind, zu belegen. Sei man der Ansicht, dass diese Vorschriften nur ungenügend eingehalten werden, wäre es der richtige Weg, diese im Fachrecht zu korrigieren oder die Kontrolle zu intensivieren. Lutz Ribbe (Euronatur) und Bernd Voß (Mitglied im Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU) lehnten die Einführung einer Betriebsprämie, die sich nach der betrieblichen Prämienhöhe im Referenzzeitraum 2000 bis 2002 bemisst, als Besitzstandswahrung, die Ansprüchen der Vergangenheit dauerhaft festschreiben wolle, ab. Dagegen sprach sich Professor Friedrich Kuhlmann (Universität Gießen) als einziger Sachverständiger für die Einführung einer Betriebsprämie aus, da nur so Unterkompensationen und Strukturbrüche vermieden werden könnten.