Stolpe: Inanspruchnahme des Kündigungsrechts beim Mautvertrag noch offen
Berlin: (hib/POT) Die Entscheidung, ob die Bundesregierung das im Mautvertrag vereinbarte Kündigungsrecht zum 15. Dezember in Anspruch nehmen wird, macht die Regierung davon abhängig, ob das Betreiberkonsortium Toll Collect in den laufenden Verhandlungen zur Vertragsanpassung bis zu diesem Zeitpunkt einen "verbindlichen und belastbaren" Termin für den Mautstart nennt. Zudem müsse ein Interessenausgleich bezüglich der dem Bund durch die Mautausfälle entstandenen wirtschaftlichen Schäden in Höhe von 156 Millionen Euro pro Monat erzielt werden. Dies betonte Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) am Mittwochmittag bei seinem Bericht zum Stand der Einführung der Lkw-Maut vor dem Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Sollte sich in den nächsten Tagen herausstellen, dass das Betreiberkonsortium nicht in der Lage ist, zu den genannten Punkten verbindliche Aussagen zu treffen, gebe es drei Möglichkeiten. Zum einen bestünde die Option, den Betreiber zu wechseln. In diesem Fall wäre es jedoch wahrscheinlich eine neue Ausschreibung notwendig, wodurch mit einem erheblichen Zeitverlust und weiteren Einnahmeausfällen im Jahr 2004 zu rechnen sei. Zum anderen könnte man auf nicht-satellitengestützte Mauterhebungssysteme zurückgreifen, wie sie derzeit in anderen Ländern geplant beziehungsweise bereits realisiert würden. Auch bei dieser Alternative sei mit einem mehrmonatigen Zeitverlust zu rechnen; zudem stelle das satellitengestützte System die zukunftsträchtigere und von der EU favorisierte Option dar. Schließlich gebe es auch die Möglichkeit, die Eurovignette wieder einzuführen. Dies käme jedoch nur als Zwischenlösung in Betracht, da durch die Vignette weniger Einnahmen zu erzielen seien.
Die Oppositionsfraktionen warfen Stolpe vor, in seinem Bericht - wie bei ähnlichen Anlässen zuvor - "völlig unverbindlich" geblieben zu sein. Der Minister habe keine einzige Antwort auf eine der drängenden Fragen gegeben, bemängelte die Union. Stolpe solle sagen, ob er die Durchsetzung seiner Forderung, Toll Collect solle für die durch die Mautausfälle entstandenen Schäden von 156 Millionen Euro pro Monat haften, tatsächlich für realistisch halte. Darüber hinaus
wollte die CDU/CSU wissen, ob es wegen der Mautausfälle 2004 zu Abstrichen bei Verkehrsinfrastrukturprojekten kommen werde. Die Liberalen betonten, der Bericht wäre dann zu akzeptieren gewesen, wenn man nicht fünf Tage vor dem entscheidenden Kündigungstermin stünde. Die zweite Kündigungsoption zum 31. Mai sei die wesentlich schlechtere Alternative, weil dann weder für 2004 noch für 2005 mit Mauteinnahmen zu rechnen sei.
Die SPD betonte, dass sie die vom Minister formulierten Verhandlungsziele eindeutig unterstütze. Den Vorwurf, Stolpe sei in seinen Äußerungen unverbindlich geblieben, bezeichnete sie als "scheinheilig", da der Minister im derzeitigen Stadium seine Verhandlungsstrategie nicht offen legen könne. Bündnis 90/Die Grünen wiesen darauf hin, dass die Oppositionsfraktionen bei ihren Vorwürfen "in auffälliger Weise" das Betreiberkonsortium schonten. Fragen nach dem Mautstart und der technischen Funktionstüchtigkeit müssten von Toll Collect beantwortet werden. Die Koalitionsfraktionen machten zugleich deutlich, dass sich ihre Geduld mit dem Betreiberkonsortium dem Ende zuneigt und sie vor Weihnachten endgültige Klarheit erwarten.
Der Minister betonte, dass trotz der zu erwartenden Einnahmeausfälle durch die Maut für das Jahr 2004 Finanzierungsmöglichkeiten in Höhe von 10 bis 11 Milliarden Euro für den Verkehrsetat gefunden werden müssten. Wegen der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss sei dieser Aspekt noch nicht im Detail geklärt. Zugleich zeigte sich Stolpe überzeugt, dass der Bund, falls es zu keiner gütlichen Einigung mit Toll Collect komme, wegen Pflichtverletzungen und Fehlinformationen zivilrechtliche Haftungsansprüche gegen das Betreiberkonsortium geltend machen könne.