Kommunale Kulturpolitik orientiert sich zunehmend europäisch
Berlin: (hib/VOM) Es gibt eine neue kommunale Kulturpolitik, die sich europäisch orientiert. Zu dieser Feststellung gelangt Professor Olaf Schwencke, Präsident des Deutschen Komitees für kulturelle Zusammenarbeit in Europa und Jurymitglied zur Auswahl der "Kulturhauptstadt Europas", in seiner Stellungnahme zur heutigen Anhörung der beiden Ausschüsse für Tourismus sowie für Kultur und Medien, die um 15 Uhr im Saal E.800 des Paul-Löbe-Hauses begonnen hat. Die derzeitige europäische Kulturhauptstadt ist das österreichische Graz. Die letzte deutsche Stadt, die diesen Titel führte, war im Jahr 1999 Weimar. In jenem Jahr wurde nach Darstellung von Professor Schwencke auch die Länderfolge bis zum Jahr 2019 bestimmt, aus denen die Kulturhauptstädte kommen sollen. Die Kulturhauptstadtaktion der EU sei auch für den Tourismus von größter Bedeutung gewesen. Der touristische Effekt sei bislang bei fast allen Kulturhauptstädten wichtig und auch für Weimar nachgewiesen worden, schreibt Schwencke. Deutschland stelle im Jahr 2010 wieder die Kulturhauptstadt. Die Städte müssen dem Sachverständigen zufolge ihre Bewerbungen bis Ende März 2004 bei den Kulturressorts der jeweiligen Länder einreichen. Bis Ende September 2005 müsse der Bundesrat Stellung genommen und der EU über die Bewerbungen berichtet haben. Schon jetzt sei erkennbar, so Schwencke, wie die Bewerberstädte, von Augsburg bis Karlsruhe und von Bremen bis Kassel, mit kulturpolitischem Engagement, großem Themenspektrum und kulturellem Ideenreichtum auf sich aufmerksam machen. Sie belebten die kulturpolitische Debatte. Bereits jetzt zeuge die Diskussion von gesellschaftspolitischer Innovation, betont Schwencke.
Über die Erfahrungen Weimars als Kulturhauptstadt Europas berichtet die Geschäftsführerin der Thüringen Tourismus GmbH, Bärbel Grönegres, in ihrer Stellungnahme. Weimar habe 1999 im Vergleich zum Vorjahr einen Zuwachs von fast 56 Prozent bei den Gästeankünften und von über 56 Prozent bei den Übernachtungen erlebt. Allerdings seien die Gästezahlen durch die rückläufige Entwicklung wieder auf dem Niveau von 1998 angelangt. Dies bedeute, dass sich manche Investition in die Hotelinfrastruktur im Nachhinein als problematisch herausgestellt habe. Weimar sei vor allem im Bereich der Luxushotellerie "schlicht überdimensioniert". Die Hoffnungen, durch das "Leitprodukt Weimar" auch den Thüringer Tourismus insgesamt zu stärken, hätten sich nicht erfüllt. Auch ein Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung Thüringens vom "Wald- und Bratwurstimage" hin zum Kulturland sei nicht festzustellen. Offensichtlich sei es nicht gelungen, aus Einmalgästen Wiederholer zu machen und Reiseveranstalter dauerhaft zu binden, so das Fazit von Bärbel Grönegres.
Die Vorstandsvorsitzende der Deutschen Zentrale für Tourismus, Petra Hedorfer, sieht dem Jahr 2010 mit einer deutschen Kulturhauptstadt Europas optimistisch entgegen. Diese Kampagne werde einen zusätzlichen Impuls für den Deutschland-Tourismus geben. Mehr als 40 Prozent aller Ankünfte aus dem europäischen Ausland seien heute schon Städte- und Eventreisen mit Kultur und Sightseeing. Der "Ansturm" an Bewerberstädten zeige, wie groß in Deutschland das Interesse am Thema Kultur sei und wie stark sich die deutschen Städte mit Europa identifizierten. Die Städte wollten damit Visionen für das vereinte Europa verwirklichen, Traditionen und neu zu definierende Werte einander gegenüberstellen sowie kulturelle Begegnungen zwischen West- und Osteuropa ermöglichen.