Experte nennt Arbeit von Ethikkommissionen unzureichend
Berlin: (hib/KHB) Die Rolle der Ethikkommissionen in der Medizin und die Beteiligung Minderjähriger und nicht einwilligungsfähiger Erwachsener an wissenschaftlichen Studien standen im Mittelpunkt der Anhörung zur Novelle des Arzneimittelgesetzes. Über die unzureichende Arbeit der Ethikkommissionen, die über die Zulässigkeit wissenschaftlicher Studien entscheiden sollen, klagte der Geschäftsführer der Ethikkommission an der Berliner Charité, Christian von Dewitz. Sie litten an Loyalitäts- und Interessenkonflikten und hätten auch noch Kompetenzprobleme. Die an der Charité angesiedelte Kommission habe im vergangenen Jahr 220 Anträge bearbeitet. Für jeden Antrag sei eine Viertelstunde Zeit geblieben. Die Hälfte der zwanzig Mitglieder käme nicht zu den Sitzungen. Obwohl bei manchen Anträgen eigenes Wissen gefehlt habe, seien keine Gutachten von außen angefordert worden. Eine Abwägung zwischen Nutzen und Risiko gebe es oft nicht. Wie abgestimmt worden sei, bleibe vertraulich, das erfahre nicht der Dekan der Fakultät und nicht die Öffentlichkeit. Natürlich gebe es Loyalitäten innerhalb der Universität. Da die Mitglieder im Berufsleben ständen, gebe es auch Interessenkonflikte. Dewitz forderte, die Ethikkommission aus dem Loyalitätsgefüge der Universitäten auszugliedern und ihre Mitglieder zu professionalisieren, sie auf vielfältige rechtliche Fragen vorzubereiten. Die Empfehlungen der Kommission in einen Verwaltungsakt umzuwandeln, gegen den rechtlich vorgegangen werden könne, forderten Vertreter der Pharmazeutischen Industrie. Versicherungsprobleme entstünden aber dann, wenn nach einem Urteil für entgangenen Gewinn Schadensersatz zu leisten ist.
Bei der Erörterung, wann Minderjährige und nicht einwilligungsfähige Erwachsene an wissenschaftlichen Studien beteiligt werden sollten, waren sich alle Interessenvertreter darin einig, dass für die Probanden ein Nutzen therapeutischer oder diagnostischer Art entstehen müsse. Der Mensch dürfe in keiner Weise instrumentalisiert werden, sagte Dietmar Mieth für das Kommissariat der deutschen (katholischen) Bischöfe. Es gehe um die Grenzfälle, die nicht eindeutig geregelt seien. Sachverständige Ulrike Riedel beklagte, dass der Gesetzentwurf diese verfassungsrechtlichen Fragen nicht anspreche. Für den Sachverständigen Bruno Müller-Oerlinghausen wird das künftige Gesetz zwar einige Studien erschweren, aber darunter sei auch "eine ganze Menge Schrott" gewesen. Die Aufregung der Pharmazeutischen Industrie habe sich bereits wieder gelegt. Erhebliche Bedenken hatten besonders die Ärzteverbände, den sogenannten Arztvorbehalt abzuschaffen. Der ärztliche Leiter einer Studie habe sie bisher auch selbständig abbrechen können. Hermine Nock vom Bundesverband Herzkranker Kinder widersprach der Vorstellung, Eltern schwerkranker Kinder lehnten grundsätzlich Studien an ihren Sprößlingen ab. Bei richtiger Aufklärung durch Ärzte fühlten sie sich eher gut betreut. Sie forderte mehr Untersuchungen zu dieser Frage. Hansjörg Seyberth (Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde) warnte vor einer grundsätzlichen Ablehnung von Untersuchungen an Kindern. Leukämiestudien hätten geholfen, die Überlebenschance von 20 auf 70 Prozent zu erhöhen.
Petra Thürmann von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Pharmakologie und Therapie (Berlin) beklagte die geringe Beteiligung weiblicher Probanden an wissenschaftlichen Studien. Dabei wisse man längst, die gleichen Medikamente, die bei Männern Sterblichkeit minderten, können sie bei Frauen erhöhen. "Frauen sind keine zehn Kilo leichteren Männer!" Fast alle Medikamente seien auf ihre Wirkung auf Frauen eigens zu prüfen.