Unterschiedliche Reformvorstellungen zum Thema Öffentlicher Dienst
Berlin: (hib/HAU) Weitgehend einig sind Experten und Sachverständige hinsichtlich des Reformbedarfes des Öffentlichen Dienstes und des Beamtenrechts. Dies wurde auf einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montagnachmittag deutlich. Unterschiedliche Auffassungen hingegen gab es in den Fragen der konkreten Ausgestaltung der Reform. Im Einzelnen diskutierten die Experten und Sachverständigen die Aufgaben des Öffentlichen Dienstes und personalrechtliche Konsequenzen, Bezahlungs- und Kompetenzfragen, sowie die Stellung des Öffentlichen Dienstes im europäischen Vergleich.
Für Professor Ulrich Battis von der Humboldt-Universität Berlin ist die Existenz eines effizienten bürgerorientierten Öffentlichen Dienstes eine notwendige und unverzichtbare Bedingung für eine funktionierende marktwirtschaftliche Ordnung. Internationale Studien hätten gezeigt, dass das öffentliche Amt und das auf das Gemeinwohl ausgerichtete "Amtsethos" eine Renaissance erlebten. Davon sei im Bericht der, von der nordrhein-westfälischen Landesregierung eingesetzten Kommission "Zukunft des öffentlichen Dienstes", der sogenannten "Bull-Kommission", jedoch nichts zu spüren. Ausgerechnet das deutsche Arbeitsrecht und dann noch in seiner starrsten Form, nämlich der des Bundesangestelltentarif (BAT) zum Motor der Modernisierung des Öffentlichen Dienstes zu propagieren, sei realitätsfern, so Battis. Der Kommissionsvorsitzende, Professor Hans Peter Bull von der Universität Hamburg, verteidigte die in der Studie ausgewiesenen Ergebnisse. Es habe sich gezeigt, dass das Berufsbeamtentum keine Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen erlaube. Die rechtliche Bevorzugung des Beamten vor dem Angestellten sei falsch und führe zu einer "Zwei Klassen Gesellschaft" im Öffentlichen Dienst. Für eine leistungsfähige Verwaltung sei nicht die formale Trägerschaft entscheidend, sondern die Art der Erfüllung ihrer Aufgaben. Das geltende Dienstrecht, so Bull, sei nicht zukunftsfähig. Aus der Sicht des Bundesvorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes, Peter Heesen, hätten falsche politische Entscheidungen und übersteigerte Privatisierungstendenzen den Öffentlichen Dienst in Misskredit gebracht. Deutschland brauche Verwaltungen, die überall gleich gut und verlässlich arbeiten. Dies gewährleiste unter anderem das Berufsbeamtentum. Außerdem sei es nötig, trotz Haushaltsproblemen in die Qualität des Öffentlichen Dienstes zu investieren. Energisch wandte sich Heesen gegen den in der Föderalismusdebatte angeregten Wettbewerb unter den Ländern. Dieser "Wettbewerb unter Ungleichen" bei der Finanzierung des Personals würde ruinöse Folgen haben, warnte Heesen.
Es fehle an präzisen Beschreibungen des Leistungsstandes des Öffentlichen Dienstes insgesamt, erklärte Professor Bernard Kempen von der Universität Köln. Dies wiege umso schwerer, da sich derzeit ein Reformaktionismus entfalte, der dem Öffentlichen Dienst und mithin der gesamten Gesellschaft nachhaltigen Schaden zufügen könne. Die oftmals unsachliche und von Klischees durchsetzte Darstellung des Öffentlichen Dienstes führe zu Frustration und Demotivation seiner Angehörigen. Dies wiederum behindere eine optimale Leistungsentfaltung. Nach Ansicht von Professor Gunnar Folke Schuppert von der Humboldt Universität Berlin sei ein "Reformleitbild" nötig. Dies könne das Leitbild des "Gewährleistungsstaates" sein. Die Verantwortung bei der Aufgabenerfüllung liegen demnach beim Staat, während die eigentliche Umsetzung durch Dritte, wie private Anbieter erfolgen könne. Ingrid Sehrbrock vom Deutschen Gewerkschaftsbund sieht die althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums als nicht vereinbar mit den Ansprüchen an einen leistungsstarken Öffentlichen Dienst an. Benötigt würden unter anderem eine leistungsorientierte Besoldung sowie bessere Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.