Fischer: Kompromiss bei der EU-Verfassung ist so nah wie noch nie
Berlin: (hib/RAB) Nach Auffassung von Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) sind die Mitglieder der EU "so nahe dran wie noch nie", sich auf eine Verfassung für die Europäische Union zu einigen. Mit Blick auf den morgen beginnenden Europäischen Rat in Brüssel bekräftigte Fischer am Mittwochnachmittag im Europaausschuss seinen Eindruck, dass eine "erhebliche Kompromissbereitschaft" vorhanden ist. Diskutiert würden noch die Fassung der Grundrechte-Charta, Einzelheiten des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie die Frage der doppelten Mehrheit bei der Entscheidungsfindung. "Die Formel 55/65 ist ein guter Kompromiss", sagte Fischer. Die Mehrheitsformel von 55 Prozent der Mitglieder und 65 Prozent der Bevölkerung könne voraussichtlich von allen Mitgliedstaaten mitgetragen werden. Im Interesse der Bundesregierung habe es in den Verhandlungen Fortschritte in den Bereichen der Kohäsionspolitik sowie der Forschungs- und Gesundheitspolitik gegeben. So werde die finanzielle Unterstützung der EU weiterhin vom durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen und nicht von geographischen Gegebenheiten abhängen. Insgesamt seien die Mitglieder der EU auf einem guten Wege, eine Verfassung zu verabschieden, die die Handlungsfähigkeit einer erweiterten Union bewahrt.
Das positive Signal der Einigung auf eine EU-Verfassung ist besonders wichtig angesichts der neuen Zusammensetzung des Europa-Parlaments, findet die SPD-Fraktion. Schließlich hätten die EU-kritischen Kräfte starken Zuspruch gefunden. Die Abgeordneten sprachen sich dafür aus, in der Frage der Grundrechte-Charta nicht vom Vorschlag des Konvents abzuweichen. Nach Überzeugung der CDU/CSU ist die Bundesregierung in der Frage des Stabilitäts- und Wachstumspakts dem Europäischen Konvent in den Rücken gefallen. Die Regierung dürfe in diesen Fragen keine Aufweichungen akzeptieren. Dennoch habe sich die Exekutive auf weiten Strecken bemüht, das Konventspaket zusammenzuhalten. Gegen den Willen des Europaausschusses verstoßen hat die Regierung nach Meinung der FDP. Während sich das Gremium dafür ausgesprochen habe, das Konventspaket nicht mehr aufzuschnüren, sei die Exekutive in Fragen des Stabilitäts- und Wachstumspakts von dieser Maxime abgewichen. Die Freidemokraten sprachen sich dafür aus, die Verfassung baldmöglichst unter Dach und Fach zu bringen. Ein Scheitern der Beratungen sei ein schlechtes Signal. Für eine bessere Lesbarkeit des Verfassungstextes sprach sich die Fraktion der Bündnisgrünen aus. Die Fraktion erkundigte sich nach möglichen Kompromisslinien in der Frage der Grundrechte-Charta sowie nach der Beitrittsperspektive Kroatiens.