Geplante Reform der Rentenversicherungsstrukturen stößt auf geteiltes Echo
Berlin: (hib/BES) Die Organisationsstruktur der gesetzlichen Rentenversicherung ist aus der Sicht von Sachverständigen aus Berufs- und Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Vertretern der Rentenversicherungsträger reformbedürftig. Sie begrüßten in einer öffentlichen Anhörung am Montagnachmittag grundsätzlich das Vorhaben der Regierung, die bestehenden Organisationsstrukturen der Rentenversicherung zu reformieren, kritisierten jedoch einen Teil der vorgeschlagenen Lösungen.
Mit der beabsichtigten Neustrukturierung der Rentenversicherung will die Koalition die Wirtschaftlichkeit und Effektivität in diesem Bereich verbessern. Innerhalb von fünf Jahren sei es auf diese Weise möglich, den Verwaltungs- und Verfahrenskostenanteil in der gesetzlichen Rentenversicherung um rund zehn Prozent (etwa 350 Millionen Euro) zu senken, heißt es im Gesetzentwurf der Regierung ( 15/3654). Die Zahl der bundesunmittelbaren Rentenversicherungsträger solle von vier auf zwei halbiert und die Anzahl der derzeit 22 Landesversicherungsanstalten reduziert werden. Als Kernelement der Organisationsreform betrachtet die Regierung die Verbesserung der Steuerung und Koordinierung zwischen den Trägern. Eine neue Namensgebung solle dies noch verdeutlichen. So sollen sich die Namen der Rentenversicherungsträger künftig aus der Bezeichnung "Deutsche Rentenversicherung" und einer angeführten Regionalbezeichnung zusammensetzen.
Auf klare Ablehnung stieß bei den geladenen Sachverständigen die geplante Einführung einer Genehmigungspflicht der Haushalte der Versicherungsträger. Dies sei ein gravierender Eingriff in die Rechte der Selbstverwaltung, der "tunlichst" unterbleiben sollte, kritisierte Professor Franz Ruland vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger. Ohne die Zuarbeit der Selbstverwaltung gäbe es den Gesetzentwurf gar nicht. Auch in diesem Kontext seien die Regierungspläne "außerordentlich befremdlich" und die Begründung dafür nicht stichhaltig. Der Einschätzung Rulands von einem völlig falschen Weg schloss sich auch Dr. Herbert Rische von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte an. So würde man die Selbstverwaltung entmachten und weitere Bürokratie schaffen, die zusätzliches Geld koste. Gleicher Meinung seien weitgehend auch die Länder. "Mit Entschiedenheit" lehnte Wilfried Gleitze von der Landesversicherungsanstalt Westfalen das Vorhaben ab. Es sei völlig überflüssig. Zudem sei es falsch, die Selbstverwaltungen immer mehr auszuhöhlen. Sie bewegten sich nicht in einem rechtsfreien Raum. Bisher habe es keinerlei Beschwerden gegeben. Kritik kam auch von den Gewerkschaften. Als "selbstverwaltungsgefährdend und absolut kontraproduktiv" kritisierten diesen Punkt des Gesetzentwurfs in einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme auch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Landesversicherungsanstalten, die Bundesknappschaft, die Bahnversicherungsanstalt und die Seekasse im Verband Deutscher Rentenversicherungsträger.
Der im Gesetzentwurf vorgesehene Genehmigungsvorbehalt für die Haushalte der Rentenversicherungsträger stehe in keinem Zusammenhang mit der Organisationsreform und sei weder notwendig noch sachlich begründbar. Ähnlich sieht dies in ihrer Stellungnahme die Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Mitgliedergemeinschaften der Angestellten-Krankenkassen. Das Verfahren zur Haushaltsgenehmigung führe zu mehr Bürokratie und sei ein unzulässiger Eingriff in die Rechte der Selbstverwaltung. Dass die Bundesregierung als Aufsichtsbehörde für die "Deutsche Rentenversicherung Bund" zuständig sein solle, werfe sogar die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung auf.
Kritische Stimmen gab es auch zu den von der Regierung angepeilten Einsparungen bei den Verwaltungs- und Verfahrenskosten in Höhe von etwa 350 Millionen Euro innerhalb der kommenden fünf Jahre. Dies sei als unrealistisch und nicht einhaltbar zurückzuweisen, sagte Hans-Jürgen Arnold von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Der Gesetzgeber solle bedenken, dass in den nächsten 20 Jahren aufgrund der demographischen Entwicklung erheblich mehr Arbeit auf die Sachbearbeitung der Deutschen Rentenversicherung zukomme. Daher sei davon auszugehen, dass der Zuwachs an Arbeit nicht mit weniger Beschäftigten bewältigt werden könne. Es sei ein sehr ehrgeiziges Ziel, das allerdings nicht betriebswirtschaftlich untermauert sei, argumentierte Wilfried Gleitze von der Landesversicherungsanstalt Westfalen. Im Kern sei es eine Personalfrage. Für den Deutschen Gewerkschaftsbund äußerte Heinz Stapf-Finé die Befürchtung, die Einsparungen könnten auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Es dürften keine unzumutbaren Härten entstehe, und auch die Qualität der Arbeit dürfe darunter nicht leiden. Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bekannte sich zwar grundsätzlich zum Einsparziel. Es könne jedoch nur erreicht werden, wenn der Gesetzgeber die Versicherungsträger nicht mit zusätzlichen Pflichten überfrachte.