Brasilianischer Landwirtschaftminister kritisiert EU-Zuckermarktordnung
Berlin: (hib/BOB) Man dürfe in den Markt für den Zucker mit Subventionen nicht so stark eingreifen, wie es die Europäische Union (EU) bislang getan hat. Diese Überzeugung vertrat Roberto Rodrigues, brasilianischer Minister für Landwirtschaft, Viehwirtschaft und Ernährung, am Mittwochvormittag im Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit. Rodrigues plädierte stattdessen dafür, Wettbewerbsfähigkeit auf den Märkten herzustellen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die erstinstanzliche Entscheidung der Welthandelsorganisation (WTO), dass die EU ihre Zuckermarktordnung ändern müsse. Der brasilianische Landwirtschaftsminister wies weiter darauf hin, dass seine Regierung "je nach den Erfordernissen des Weltmarkts" Zucker oder Ethanol exportieren werde. Ethanol ist eine durch die Gärung des Zuckers gebildete Flüssigkeit, die auch als Brennstoff für Kraftfahrzeuge benutzt werden kann. Rodrigues erklärte in diesem Zusammenhang, Ethanol werde immer mehr nachgefragt. Vor allem die Länder Asiens hätten ein großes Interesse.
Zur Zuckerproduktion erklärte der Minister, der Rohstoff würde auf 5,5 Millionen Hektar angebaut. Pro Jahr würden 390 Millionen Tonnen Rohzucker geerntet und verarbeitet. Vor allem im Nordosten und Südosten Brasiliens gebe es große Zuckerplantagen, die auch für Beschäftigung sorgten. Bei der Zuckerernte gebe es zwei Millionen direkt Beschäftigte; etwa drei Mal so viele indirekt Tätige hingen von der Ernte ab. Arbeiter, die in den Zuckerrohrplantagen tätig seien, verdienten etwa das Doppelte des Mindestlohns.
Die SPD machte deutlich, durch das Urteil des WTO-Panels seien die Marktchancen für Brasilien erhöht worden. Die Einnahmeausfälle des Landes durch das Exportdumping für Zucker der EU seien beträchtlich. Auf der anderen Seite seien die Arbeitsstandards in Brasilien ein Anlass zur Sorge. Hier gelte es, die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation zu erfüllen. Bündnis 90/Die Grünen wiesen ebenfalls auf die ihrer Ansicht nach "prekären" Arbeitsbedingungen vor allem in Nordosten des Landes hin. Der brasilianische Minister bestätigte, vor allem in dieser Region seien die Arbeitsbedingungen - bei geringem Lohn - wirklich schlecht. Die Regierung unter Lula da Silva sei bemüht, diese Standards anzuheben. Andere Produkte - wie etwa Obst - seien zu favorisieren, weil die Topographie in dieser Region etwas schwierig sei. Die CDU/CSU merkte ebenfalls an, die WTO habe Brasilien in erster Instanz Recht gegeben. Das kläre aber nicht die Frage nach verbindlichen Umwelt- und Sozialstandards. Rodrigues sagte auf eine entsprechende Frage der Union, etwa 60 Prozent der Anbaufläche gehörten den großen Produzenten von Zuckerrohr, etwa 40 Prozent stellten kleinere Firmen. Die FDP bescheinigte Brasilien, das Land sei der produktivste und effektivste Zuckerrohrproduzent der Welt; das "know-how" sei sehr groß. Das Ausnutzen der Wettbewerbssituation beim Verkauf entweder von Zuckerrohr oder Ethanol sei legitim.