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„Der Mauerstreifen in Berlin — für mich ist er ein eindrucksvolles Symbol nicht nur für die Wiedervereinigung Deutschlands, sondern auch für die Europas. Ein Europa übrigens, das viel größer ist als die Europäische Union. Das wird mir immer wieder bewusst, wenn ich an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats teilnehme. Dieser Organisation sind nach dem Fall der Mauer fast alle osteuropäischen Länder beigetreten. Heute gehören ihr 46 Länder an, und längst nicht alle sind Mitglied in der EU.
Vier Mal im Jahr kommen die Mitglieder dieser Parlamentarischen Versammlung — 315 Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten — in Straßburg zusammen, wo der Europarat seinen Sitz hat. Diese Treffen mit Kollegen aus anderen europäischen Ländern finde ich ungemein spannend. Da werden oft ganz andere Themen diskutiert als auf EU-Ebene, wo sich vieles um wirtschaftliche Fragen dreht.
Im Europarat hingegen geht es um Demokratie und Menschenrechte. Einige osteuropäische Länder weisen in dieser Hinsicht ja noch Defizite auf. Sie in ihren Bemühungen zu unterstützen, diese Defizite abzubauen, ist meiner Meinung nach ganz wichtig für ein friedliches Zusammenleben eben nicht nur innerhalb der EU, sondern des gesamten Kontinents.
Als großen Vorteil erlebe ich die Kontakte mit Parlamentariern anderer europäischer Länder auch für meine eigene politische Arbeit — einfach weil sich der eigene Blickwinkel deutlich erweitert. Viele politische Fragen lassen sich heute leichter beantworten, wenn man eine europäische Sichtweise einnimmt. So haben mir zum Beispiel Abgeordnete linker Parteien aus anderen Ländern über die positiven Auswirkungen berichtet, die die Einführung eines Mindestlohns bei ihnen zu Hause hatte. Diese Beispiele bestätigen die Richtigkeit und Notwendigkeit, für unser Land einen gesetzlichen Mindestlohn von 8 Euro zu fordern. Eine politische Forderung, für die sich unsere Fraktion im Bundestag einsetzt.
Auch die Europäische Union muss meiner Meinung nach sozialer gestaltet werden. Viele Regierungen betrachten die EU lediglich als gigantischen Markt, von dem vor allem die Industrie profitiert. Mein Traum hingegen ist es, dass wir es schaffen, innerhalb der EU für einen sozialen Ausgleich zu sorgen. Ein Europa, in dem die Menschen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen, in dem Armut und Reichtum nicht in gleichem Maße wachsen, sondern sich einander annähern, ein Europa, in dem alle die gleichen Bildungschancen haben und Hautfarbe, Herkunft und Religion keine Rolle mehr spielen: Ein solches Europa wünsche ich mir für meine Kinder.”
Alexander Ulrich (Die Linke.), Jahrgang 1971,
ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages und dort Obmann
seiner Fraktion im Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union. Er ist Mitglied der deutschen Delegation
für die Parlamentarische Versammlung des Europarates.
alexander.ulrich@bundestag.de
www.mdb-alexanderulrich.de
Der Europarat
Als „demokratisches Gewissen Europas” wird der
Europarat gern bezeichnet. Denn seit seiner Gründung 1949
setzt er sich für die Förderung der Menschenrechte, der
Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ein. Dem Europarat
gehören heute 46 Länder an und damit bis auf
Weißrussland alle europäischen Staaten. An seiner Arbeit
wirken Abgeordnete der nationalen Parlamente aller
Mitgliedsländer mit. Gemeinsam bilden sie die Parlamentarische
Versammlung (PV) des Europarats, die vierteljährlich in
Straßburg zusammenkommt. Mehr Informationen, auch zu
Führungen und Studienprogrammen:
www.coe.int