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Bücher, Manuskripte, überall kleine Notizzettel — der Blick auf den Schreibtisch zeigt es: Sarah Mania ist im Abiturstress. In wenigen Tagen beginnen die schriftlichen Prüfungen, und es gibt noch viel zu tun für die 19-jährige Schülerin. So viel, dass ihr kaum noch Zeit bleibt für das, was ihr gerade besonders wichtig ist: das Europäische Jugendparlament.
Seit etwa eineinhalb Jahren haben Sarah und ihre sieben Mitstreiter aus der 13. Klasse des Hamburger roomoor-Gymnasiums nämlich nur ein Ziel: bei der diesjährigen Internationalen Sitzung des Europäischen Jugendparlaments in Potsdam dabei zu sein und sich mit mehr als 200 anderen Jugendlichen aus 35 Ländern um die besten Ideen für die europäische Politik zu messen. Ob Agrar reformen, Zuwanderungspolitik oder der EU-Beitritt der Türkei — alles, was Europa bewegt, wird beim Europäischen Jugendparlament zum Diskussionsstoff. So wie im richtigen Europäischen Parlament geht es auch für die 16- bis 19-jährigen Delegierten da rum, Lösungen für gesellschaftliche Fragen zu finden. Streit gehört dazu, ebenso wie Kompromissbereitschaft. „Mir gefällt es, zu diskutieren, um Argumente zu ringen und trotz aller Gegensätze doch zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen”, sagt Sarah.
Die Lust an der Auseinandersetzung war schon immer da. Bereits mit zwölf Jahren wurde Sarah Mit glied im Jugendparlament ihres Stadtteils: „Ich habe wohl schon damals nach etwas gesucht, wo ich mich gesellschaftlich engagieren kann”, sagt sie. „Natürlich ging es da noch um relativ unbedeutende Dinge, wie etwa eine Kletterwand.”Aber als diese genehmigt wurde, war das für Sarah ein Schlüsselerlebnis: „Ich habe es genossen, etwas bewegen zu können.” Das ist so geblieben. Als Sarahs Lehrer zu Beginn des 12. Schuljahres fragte, wer Lust hätte, sich für das Europäische Jugendparlament zu bewerben, war sie sofort dabei. „Europa ist die Zukunft. Ich wollte einfach mehr darüber wissen”, erklärt sie. Doch neben politischem Interesse waren auch gute Englisch- und Französischkenntnisse gefragt. Der Grund: Alle Resolutionen, die die Delegierten im Europäischen Jugendparlament zu einem Thema verfassen, sind in englischer und französischer Sprache — keine Debatte, nicht einmal bei der nationalen Sitzung, wird auf Deutsch geführt.
Die Bewerbung für die Teilnahme beim Europäischen Jugendparlament bedeutete also viel Arbeit. Schließlich mussten Sarah und ihr Team eine Resolution zu einem Thema verfassen, über das sich in Europa auch die Politiker den Kopf zerbrechen: Wie man den Bürgern Europa näherbringen kann. Ihre Ideen waren überzeugend. Im Mai 2006 reisten Sarah und die anderen für eine Woche nach Berlin, wo im Abgeordnetenhaus das Europäische Jugendparlament zu seiner nationalen Sitzung in Deutschland zusammenkam. „Das war etwas Besonderes: Man tagt in einem richtigen Parlament — und alle haben sich auch entsprechend angezogen”, erzählt Sarah. Die Delegierten trugen Anzug und Kostüm. Sarahs Investition in die edle Garderobe hat sich gelohnt: Als einziges deutsches Team haben sie sich für die internationale Auswahlsitzung in Potsdam qualifiziert.
„Alle Länder in Europa haben ein starkes nationales Parlament, zuweilen mit einer, manchmal mit zwei Kammern. Diese Volksvertreter stellen ein Kernstück unserer europäischen Demokratie dar. Auf europäischer Ebene ist das Parlament aber längst noch nicht so einflussreich wie der Europäische Rat oder die Kommission mit ihren mächtigen Beamten. Durch die — gescheiterte — Verfassung hätte sich dies geändert. Wenn Europa wirklich demokratisch sein will, muss dieses Manko behoben werden. Denn wie Winston Churchill im britischen Unterhaus schon 1947 sagte: Demokratie ist die schlechteste Regierungsform — außer all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind!”
Josef Winkler, Jahrgang 1974, ist seit 2002
Mitglied des Deutschen Bundestages. Er ist gelernter
Krankenpfleger, kommt aus Bad Ems in Rheinland-Pfalz und ist
ordentliches Mitglied im Petitionsausschuss und im Innenausschuss
des Bundestages.
josef.winkler@bundestag.de
www.josef-winkler.de