Tausende von Studenten, Schülern, Eltern und Gewerkschaftern gingen in den vergangenen Wochen mehrfach bei diversen Protestmärschen auf die Straße, in Hannover, in Stuttgart und andernorts. Am 15. Dezember demonstrierten Hochschüler sogar auf der Zuschauertribüne des baden-württembergischen Landtags mit Zwischenrufen und Transparenten. Vor dem Gebäude waren noch einmal mehrere hundert Protestierer aufmarschiert. "Die Tochter der Putzfrau will auch studieren", hieß es auf einem Plakat. Doch alles Aufbegehren gegen die Abschaffung des kostenfreien Studiums blieb vergebens: Baden-Württemberg und Niedersachsen sind die ersten Bundesländer, die Studiengebühren einführen. So haben es die Landtage im Abstand von wenigen Tagen mit den jeweiligen schwarz-gelben Mehrheiten gegen die Stimmen der Opposition beschlossen.
Überraschend kamen diese Beschlüsse nach dem jahrelangen politischen Vorlauf nicht mehr. Gleichwohl markiert der Dezember 2005 eine tiefe Zäsur in der deutschen Bildungslandschaft. Nun wird es Schlag auf Schlag gehen: Auch das Saarland mit einer absoluten CDU-Mehrheit, das CSU-regierte Bayern und Nordrhein-Westfalen mit einem CDU/FDP-Kabinett bereiten derzeit Gesetze vor, um Studenten künftig für ihre Semester an den Universitäten bezahlen zu lassen. Er habe "keinen Alleingang" unternommen, sagt der Stuttgarter CDU-Wissenschaftsminister Peter Frankenberg, die Linie sei mit den unionsregierten Ländern abgestimmt. Er rechne damit, dass eines Tages auch die SPD-dominierten Länder ihren bisherigen Kurs gegen Studiengebühren aufgeben würden. Ob dieses Kalkül aufgeht, muss sich noch erweisen: In Niedersachsen und Baden-Württemberg wehrten sich SPD und Grüne jedenfalls gegen die finanzielle Belastung der Studenten.
Vom Sommer 2007 an werden in beiden Ländern alle Hochschüler pro Semester mit 500 Euro zur Kasse gebeten, in Niedersachsen gilt dies für Studienanfänger schon vom Winter 2006/2007 an. Auch in anderer Hinsicht ähneln sich die Modelle in Niedersachsen und Baden-Württemberg. Können oder wollen Studenten die Gebühren nicht aus eigener oder elterlicher Tasche begleichen, stehen ihnen Kredite zur Verfügung: Im Südwesten beträgt der Zinssatz für Darlehen der landeseigenen L-Bank knapp sechs Prozent. Zurückzahlen muss man die Schulden nach dem Abschluss des Studiums, sofern beruflich eine bestimmte Einkommenshöhe erzielt wird, die für Ledige und Verheiratete mit oder ohne Kinder differenziert gestaffelt ist. Manche Hochschüler sollen von Gebühren befreit werden, beispielsweise dann, wenn sie Kinder haben.
Die Universitäten können über die Einnahmen aus den Gebühren nicht in voller Höhe frei verfügen: Einen Teil der Gelder müssen die Hochschulen in Fonds zurücklegen, um nicht getilgte Darlehen mit Ausfallbürgschaften abzusichern. In Baden-Württemberg sind dies zehn Prozent der pro Jahr erwarteten Einnahmen in Höhe von 200 Millionen Euro.