Das Bild ist widersprüchlich. Im Innern ist die EU durch eine Vielzahl von Problemen und Krisen geschwächt. Jenseits der Grenzen sieht die Lage anders aus: Die Union gewinnt weltpolitisch an Bedeutung, spielt als Wirtschaftsmacht eine gewichtige Rolle und übt als Wohlstandszone eine enorme Anziehungskraft auf Menschen in armen Regionen aus. Eine Herausforderung, auf die Europa noch keine Antwort gefunden hat.
Die dramatischen Fernsehbilder sind noch frisch in Erinnerung: An den Grenzanlagen der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Marokko riskiern Schwarzafrikaner ihr Leben, um in der Hoffnung auf ein besseres Leben in die EU zu gelangen. Brüssel und die EU-Innenminister reagieren mit Maßnahmen, die nicht nur von Bürgerrechtlern kritisch betrachtet werden.
Doch Brüssel schottet sich nicht nur ab. Politisch will die EU verstärkt mitmischen: als Friedensmacht, die mit Hilfe des internationalen Rechts kriegerische Konflikte zu regeln versucht und die so eine Alternative zum Konzept der Supermacht USA oder auch Chinas ins globale Kräftespiel einbringen will. Doch das ist leichter gesagt als getan. Im Nahen Osten etwa vermochte Brüssel bisher nicht viel zu bewegen. Und in der EU selbst hat Brüssel nach wie vor Mühe, sich überhaupt als eigenständiger außenpolitischer Faktor herauszubilden und zu behaupten: Noch wird die Außenpolitik zumeist vor allem in den Hauptstädten gemacht.
Wirtschaftlich agiert die Union indes als Großmacht. Das spüren besonders ärmere Staaten, die in hohem Maße von der Brüsseler Handels- und Subventionspolitik abhängen. Der Kampf um den Zuckermarkt zeigt dies beispielhaft. Aber der EU, lange Zeit auf den Wettbewerb mit den USA und Japan fixiert, erwächst zusehends neue Konkurrenz: Auch Schwellenländer wie China oder Indien fordern den alten Kontinent heraus.