Hamburg hat einen neuen Justizsenator: Der 41-jährige Rechtsanwalt Carsten-Ludwig Lüdemann (CDU) ist am 29. März in der Bürgerschaft zum Nachfolger von Roger Kusch (CDU) gewählt worden. Kusch hatte zuvor von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) die Entlassungsurkunde zugestellt bekommen. Beust begründete den Schritt mit einem zuletzt mangelnden Grundvertrauen in Kusch, den er seit 30 Jahren kennt. Die Neuwahl des Justizsenators war in der Hansestadt mit großer Spannung erwartet worden, da es bis zuletzt als unklar galt, ob die mit absoluter Mehrheit regierende CDU-Fraktion Lüdemann geschlossen bestätigen würde. Selbst Beust hatte 2004 bei seiner Wahl zum Bürgermeister zwei Stimmen aus dem eigenen Lager nicht bekommen, er wäre damit fast an seinen Leuten gescheitert. Nach fraktionsinternen Querelen galt die CDU-Mehrheit nun als wackeliger denn je. Doch entgegen allen Unkenrufen erhielt Lüdemann 62 von 63 Stimmen aus dem CDU-Lager und damit ein besseres Ergebnis als der Bürgermeister selbst. Beust hatte im Vorfeld der dramatischen Sitzung klargemacht, er werde zurücktreten, wenn sein Kandidat nicht im ersten oder zweiten Wahlgang durchkomme. Eine für den besonnenen Senatspräsidenten eher ungewöhnliche Disziplinierungsmaßnahme, die ihre Wirkung offensichtlich nicht verfehlt hat. Und dies war wohl auch notwendig, denn ob die CDU bei Neuwahlen derzeit wieder die absolute Mehrheit holen würde, gilt nicht als sicher.
Seit wenigen Wochen prägt die so genannte Protokoll-Affäre die politische Debatte der Hansestadt, jene Affäre, über die letztlich auch Roger Kusch sein Amt verlor. Dabei geht es um die widerrechtliche Weiterleitung von Dokumenten mit Zeugenvernehmungen aus einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Zustände in dem geschlossenen Heim für kriminelle Jugendliche in Hamburg. Diese Protokolle waren unter Beteiligung einer Beamtin, die der SPD angehört, unrechtmäßig sowohl an die Sozial-, als auch an die Justizbehörde weitergeleitet worden. Die Weiterleitung der Dokumente ist strikt untersagt, damit sich potenzielle Zeugen aus den Behörden nicht auf Vernehmungen vor dem Ausschuss vorbereiten können.
Roger Kusch hatte die Existenz der Dokumente in seiner Behörde dennoch verteidigt, sich nicht entschuldigt und stattdessen erklärt, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Diese strikte Haltung war es, die letztlich den Ausschlag für seine Entlassung gegeben hat. Durch unabgesprochene Vorstöße zu heiklen rechtspolitischen Themen wie Sterbehilfe und Jugendstrafrecht und eine umstrittene Personalpolitik in seiner Behörde hatte Kusch allerdings schon vorher viel Vertrauen bei der CDU-Fraktion und auch bei Beust selbst verspielt.