Die Schiebetür wollen alle sehen", sagt der Sicherheitsmann und öffnet die Hauptpforte per Knopfdruck. Die große dunkle Metalltür mit der Nummer "50" schiebt sich auf wie ein Hallentor. Doch ohne Termin kommt man kaum auf den Hof der Klosterstraße, wo der Eingang der Niederländischen Botschaft liegt. Das versichert freundlich der Mann in Uniform. Dabei ist die Botschaft ein Kunstwerk, eine Pilgerstätte von Anhängern moderner Architektur. Allein 2003 kamen 40.000 Besucher, um Rem Koohlhaas' Vision zu bewundern.
"Der große Architekt baute für das niedliche Holland": Robert Farla, erster Botschaftssekretär und für Presse und Kultur zuständig, lässt sich diese selbstironische Spitze auf der Zunge zergehen. Für Deutschland wollte das 16,5 Millionen Einwohner zählende Königreich etwas Außergewöhnliches, sagt er und freut sich darüber, dass die Deutschen die Botschaft auch empfangen haben.
Ein Gebäude ohne Türen und Stockwerke - das war der Traum des Architekten. Ohne Stockwerke ist Rem Koohlhaas gelungen. Die verschiedenen Ebenen liegen ineinander und übereinander, ein Trajekt mit Treppen und Rampen windet sich vom Eingang bis zum Dach, es passiert alle Abteilungen und nimmt auch mal den Weg außerhalb des Gebäudes in einem gläsernen Gang. Immer wieder eröffnen sich überraschende Blickwinkel, der ausgefallenste ist das Loch mitten im Wohntrakt zum Fernsehturm am Alexanderplatz. Diese Sichtachse ist im Grundbuch per Eintrag rechtlich geschützt und darf nicht verbaut werden.
Ohne Türen - dier Wunsch war jedoch nicht umsetzbar. Es gibt Schiebetüren, schwere Drehtüren, Flugzeugtüren in mehreckigen Formaten, wie sie gerade unter eine Schräge passen. Sie sind dem Kompromiss geschuldet, den der Architekt mit dem Bauherren eingehen musste. Denn schließlich arbeiten hier verschiedene Abteilungen unter einem Dach, die verschlossene politische hinter der Tresortür, die Kulturabteilung teilweise ganz ohne Wände.
Die "Skybox" für Besprechungen und Gäste des Botschafters ragt als gläserner Quader aus der Fassade heraus und hängt in der Berliner Luft. Ganz unhierarchisch haben die Mitarbeiter ganz oben ihre Kantine, einen Sportraum und den schönsten Blick auf Klein-Amsterdam und Groß-Berlin.
Klug gelöst hat der niederländische Architekt den Umgang mit Berliner Bauvorschriften. Da eine Botschaft auch staatliche Souveränität ausstrahlen soll, an der Stelle aber Eckbebauung vorgeschrieben ist, hat Koohlhaas einfach zwei Gebäude konstruiert: der gläserne Kubus als Solitär und ein zweites schmales über Eck, das wie ein Paravant davor gesetzt wurde und an den Ecken des Grundstücks anliegt.
Das Königreich der Niederlande hat sich weit in den Osten des neuen deutschen Politikzentrums gewagt. Darüber war Berlin froh, und nun sind die Holländer auch sehr glücklich mit ihrem Standort. In der Nachbarschaft ist ein kleines zweites Diplomatenviertel entstanden, Brasilien und China haben auch nahe am Wasser gebaut. Die einzige Gracht Berlins liegt an der Mühlendammschleuse direkt vor der Nase, und dieses Amsterdam-Flair war vom Niederländischen Außenministerium ausdrücklich erwünscht.
Die Glasfront im "Prins Claus Zaal" bietet dafür das herrlichste Panorama, aber auch innen nimmt der Raum einem den Atem. Hohe Decken aus Sichtbeton, Sichtachsen in andere Räume und eine Mischung aus Beton, Holz, modernem Mobiliar und Kunst lässt einen endlich mal die Genialität durchdachter Architektur spüren. Kein Gebäude mit Standardlösungen, dafür Funktion statt Konvention. Dafür gab es im vergangenen Jahr auch den Mies van der Rohe-Preis für die bedeutendste Architektur Europas.