Politik lebt vom Dialog". Mit diesen Worten begrüßt Bundestagsvizepräsidentin Gerda Hasselfeldt die Besucher auf ihrer Homepage. Sie bietet dort Informationen zu ihrer Person, ihrer Parlamentsarbeit und zu politischen Themen. Der Dialog beschränkt sich jedoch auf die Möglichkeit, der CSU-Abgeordneten eine E-Mail zu schreiben. Ein typisches Phänomen. Mehr als die Hälfte aller Politiker betreiben inzwischen eine Homepage, aber wenige können oder wollen die interaktiven Chancen der Internet-Präsenz wirklich nutzen. Wie groß die Unterschiede sind, haben Web-Tests von politikerscreen und "Politik & Kommunikation" schon 2004 gezeigt. Dabei lagen jene Politiker vorne, die auf ihrer Webseite ihre Arbeit transparent machen und Bürger aktiv einbeziehen. Darunter sind Bundestagsabgeordnete wie Jörg Tauss (SPD), ein Internet-Freak der ersten Stunde, oder Hans-Joachim Otto von der FDP. Er ist leidenschaftlicher Blogger und hat schon den Einsatz einer Webcam in seinem Berliner Büro getestet.
Der bayerische CSU-Fraktionschef Joachim Hermann ist privat überhaupt kein Internet-Freak. Trotzdem hat er auf seiner Seite einen Live-Chat zur Hochschulreform angeboten. Fragen und Kritik aus dem Chat hat er mit in die Landtagsdebatte genommen. Nicolette Kressl, Siegerin des Bundestags-Web-Tests, geht noch weiter und dokumentiert auf ihrer Seite jede ihrer Abstimmungsentscheidungen. Ganz nebenbei erfährt man von ihr viel Privates. Auch das ist typisch. Frauen präsentieren sich persönlicher, Männer setzen auf Sachthemen. Auch Spass muss sein, glaubt die SPD-Politikerin Heidi Lück. Bei ihr findet man neben Politik auch Witze und Rezepte für Sauerbraten mit Knödeln. Sylvia Löhrmann von den Düsseldorfer Grünen versucht hingegen mit Kultur- und Gastrotipps ihre Bindung an den Wahlkreis zu dokumentieren. Die Homepage ist ein modernes Werkzeug der bürgernahen Kommunikation und wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit von Politikern, sagen die Web-Tester. Und sie benennen Mindeststandards: Sie soll zeigen, wer man ist und wofür man steht und sie muss aktuell, informativ und nutzerfreundlich sein.
Vorbildliche Abgeordnete führen Terminkalender, veröffentlichen eigene Pressemitteilungen oder bieten einen Downloadservice an. Sie geben Newsletter heraus, die als "Loesch"-Papier (Brigitte Lösch) , Krings-Brief (Günther Krings) oder Freitagsmail (Katrin Göring-Eckhardt) die Runde machen. Es gibt auch wenige Erkenntnise, ob der Wähler erreicht wird. Parteien und Fraktionen weisen ihre Mandatsträger immer wieder auf die Bedeutung der Homepage als Kommunikationsform hin. Sie beraten Abgeordnete bei der Gestaltung und liefern ihnen Module für Design und Struktur. "Es gehört aber nicht zum Selbstverständnis von Abgeordneten, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben", bedauert der Pressesprecher der niedersächsichen SPD-Landtagsfraktion Tobias Dünow. Er wünscht sich, dass die Politiker ihre Seiten stärker als Plattform nutzen, um Landespolitik an den Bürger zu bringen. Das Internet spielt in Flächenländern eine noch größere Rolle für den politischen Dialog als in Berlin oder Hamburg. So haben in Niedersachsen 80 Prozent der Abgeordneten eine Homepage, in Bayern und Baden-Württemberg knapp 75 Prozent, in Berlin nur 20 Prozent. Baden-Württemberg glänzte im Web-Test auch mit den besten Seiten. Die Homepages der Abgeordneten seien vor allem im Wahlkampf ein wichtiges Instrument, aber nicht das entscheidende, meint der dortige CDU-Sprecher Tobias Bringmann: "Mit dem Internet-Auftritt gewinnt man keine Wahl, aber ohne ihn kann man auch verlieren." Die Zahl und die Qualität von Angeboten der Politikern im Netz steigt ständig. Für den neuen Bundestag wird es wohl noch 2006 den nächsten Web-Test geben. Dann werden auch die Seiten der Abgeordneten der Linkspartei berücksichtigt.
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