Fabian Everding ist noch kein Student. Er ist Schülersprecher einer Versuchsschule auf dem Campus der Universität Bielefeld. Dort besetzten Anfang Februar diesen Jahres Studierende das Universitätsrektorat, aus Protest gegen die geplante Einführung von Studiengebühren. Everding sieht sich jedoch als künftiger Akademiker und deshalb auch als Betroffener. Deshalb kümmerte er sich von Beginn an um die Internet-Präsenz der Besetzer. Weil er an der Versuchsschule die Internetseite der Schülerzeitung mit betreut, hat er kurzerhand die Protest-Seite an deren Domain angedockt. "Weil es schnell gehen sollte", wie er sagt. Und so waren die Studierenden wenige Tage nach Beginn der Aktion online und zählten den Februar über täglich 500 bis 700 Zugriffe auf ihre Seite.
Ganz im Zeichen des Protests von Studierenden stand in vielen Bundesländern auch der Herbst 2003. In Hessen beispielsweise hatte die Landesregierung Einsparungen im Bereich Bildung und Soziales sowie die Einführung von Studiengebühren für Langzeitstudierende angekündigt. Unter anderem in Darmstadt machten die Studierenden mobil, planten Streiks und Protestaktionen. Zu den Maßnahmen gehörte der Aufbau einer Internetseite, die unter der Adresse www.uebergebuehr.de als Anlaufstelle für Streik-Teilnehmer und als Informationsplattform für geplante Aktionen diente. "Es lief gut", erinnert sich Andreas Schaeffer, der das Portal von Beginn an mitbetreute. Die Internet-Adresse habe sich schnell herumgesprochen, sei in der Zeitung und im Lokalradio genannt worden, erinnert sich der 25 Jahre alte Informatikstudent. "Einmal brach die Seite sogar wegen Überlastung zusammen", sagt er mit ein wenig Stolz in der Stimme.
Doch irgendwann ebbte der Protest ab, die Seite wurde immer seltener angeklickt. "Danach ist alles wieder eingeschlafen", so Schaeffer. Ende 2004 überlegten er und einige seiner Mitstreiter, was denn nun mit der Internet-Präsenz geschehen solle. Und sie entschieden sich, die Seite zu einer bundesweiten Informationsplattform für Hochschulpolitik, Bildungs- und Sozialpolitik umzubauen. Mitte Mai 2005 gründeten 14 Studierende zu diesem Zweck einen Verein. Inzwischen kümmert sich ein harter Kern von 25 bis 30 jungen Leuten, mal mehr mal weniger engagiert, um die Einstellung von Informationsmaterialien und Meinungsartikeln. Schaeffer selbst beschäftigt sich täglich mit der Aktualisierung und Pflege des Portals. "Es geht uns darum, in der Bildungspolitik etwas zu erreichen", sagt er. Und, dass "sehr, sehr viel Idealismus" dazugehöre. Denn die 400 bis 600 Zugriffe täglich während des Semesters sind noch nicht besonders viel und die finanziellen Zuschüsse einiger studentischer Vertretungen sind noch sehr überschaubar. Aber Idealisten denken eben anders. Als nächstes Ziel wurde der Aufbau von eigenen Landesseiten gesteckt, mit eigenen Redaktionen, die länderspezifische Hochschulpolitik beleuchten. Studierende aus sechs Bundesländern sind schon dabei.
Dass der Vernetzung der Studierenden "mittlerweile eine sehr zentrale Bedeutung" zukomme und "sich ein anderes Bewusstsein dafür entwickelt hat", davon ist Christian Berg überzeugt. Er ist Vorstandsmitglied beim "Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs)", dem Dachverband von derzeit rund 90 Studierendenvertretungen.
Bei jedem größeren Protest werde inzwischen begleitend eine Internet-Präsenz aufgebaut. "Diese Entwicklung ist ein Trend der letzten zwölf bis 18 Monate", meint Berg, der auch einen hohen Grad an Professionalisierung dieser Seiten ausgemacht haben will. Und auch die Resonanz stimme. So seien beispielsweise im vergangenen Jahr allein über die Seite www.kein-spiel-mit-bildung.de über 200.000 Unterschriften für die gleichnamige fzs-Kampagne gesammelt worden, mit der sich der Verband für ein bundesweites Verbot von Studiengebühren und eine gesetzlich verankerte Studierendenschaft einsetzte.
Hochschulpolitik ist auch die Leidenschaft von Oliver Iost. Der Informatiker war während seines Studiums in Karlsruhe in der Studierendenvertretung aktiv. Weil deren Zusammensetzung jedoch "immer personell sehr kurzlebig" sei, wie Iost sagt, schwanke auch die Qualität und Aktualität der Internet-Präsenzen stark. Diese Erfahrung war für ihn Anlass, 1999 eine eigene Seite aufzubauen, auf der er zunächst vor allem Informationen für Erstsemester bereitstellte, die er bald um eine Datenbank mit den Hochschulen und ihren Studienfächern ergänzte. Aus dem Hobby machte Iost nach Beendigung seines Studiums seinen Beruf und bietet mit www.studis-online.de ein umfangreiches Angebot mit einem Bafög-Rechner, Service-Informationen und hochschulpolitischen Themen. Iost arbeitet seit 2004 in Vollzeit an dem Portal und lebt inzwischen von der Werbung, die man auf den Seiten schalten kann. Diese werden monatlich von 200.000 bis 300.000 Nutzern besucht - und sind damit eine der erfolgreichsten Internet-Adressen für Studierende.