Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, lautet ein geflügeltes Wort. Im Zeitalter des Internets ist das vorbei: Was morgen in der Zeitung steht, steht heute im Netz - die Online-Auftritte der Printmedien konkurrieren mit dem Tempo der Nachrichtenagenturen und der elektronischen Medien wie Fernsehen oder Hörfunk.
Schnelligkeit und alles, möglichst gleichzeitig, im Blick haben: Das sind die Vorgaben, mit denen die Redakteure der Online-Medien arbeiten. Im Vergleich zur Schichtarbeit für die Netzausgabe klingen die Arbeitszeiten der Journalisten für das traditionelle Printprodukt ausgenommen freundlich. Von früh um sechs Uhr bis eine halbe Stunde nach Mitternacht schreiben und aktualisieren die Redakteure bei "Spiegel online" - sieben Tage in der Woche. Die Aktualität liefert ein Bruchteil der Mannschaft, die für das gedruckte Nachrichtenmagazin unterwegs ist. Doch immerhin kann Wolfgang Büchner, einer der stellvertretenden Chefredakteure, auf 45 Mitarbeiter zurückgreifen - und ab und an auf die Unterstützung der Magazin-Kollegen.
Die Bundespressekonferenz, der Verein der Berliner und Bonner Parlamentskorrespondenten, registriert zwar in den vergangenen Jahren einen stetigen Zuwachs von Online-Kollegen - doch derzeit sind nur neun der insgesamt mehr als 900 Mitglieder dezidiert als Online-Korrespondenten gemeldet. Das Mitgliederverzeichnis listet für den "Spiegel" 28 Namen auf, für "Spiegel online" dagegen drei. Unter "Faz.net" gibt es keinen Eintrag, während die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", elf Korrespondenten gemeldet hat. Die Tageszeitungen verzichten ganz auf eigene Online-Korrespondenten.
Obwohl viele Visionäre vor nicht allzu langer Zeit noch den Untergang des gedruckten Wortes vorhersagten, hat das Medium Internet wenig Chancen, die Printprodukte zu überholen. Denn die Leser machen vom Internet-Angebot anders Gebrauch: Nach einer Studie von Marktagent.com aus dem Jahr 2004 sind Online-Nutzer Schnell-Leser. Rund 67 Prozent der insgesamt 8.700 Befragten schätzen den schnellen Überblick, rund 45 Prozent sind an "Nachrichten in Echtzeit" interessiert. Und 67 Prozent sind der Meinung, dass Online-Zeitungen die gedruckten Blätter nicht ersetzen können. Das deckt sich mit der Einschätzung des Medienwissenschaftlers Christoph Neuberger von der Universität Münster, der der gedruckten Zeitung ein langes Leben vorhersagt. Andererseits hält Neuberger das Internet journalistisch nicht für ausgereizt - weil Zeitungen die spezifischen Online-Möglichkeiten nicht ausreichend wahrnähmen.
Wer beispielsweise am 10. März wissen wollte, wer die deutsche Vorentscheidung für den Eurovision Song Contest gewonnen hat, konnte das zwar in allen Online-Ausgaben nachlesen. Doch hören konnte man den Sieger nur bei "Spiegel Online". Videosequenzen bauen die Netzjournalisten des "Spiegel" mittlerweile ebenfalls häufiger ein. Von Interviews gibt es ab und an den O-Ton zusätzlich. Dennoch ist die wissenschaftliche Kritik an den Online-Auftritten der gedruckten Periodika einhellig: Zu wenig Interaktion mit dem Leser und zu wenig Verlinkung zum Vertiefen der Informationen.
Immerhin haben die regionalen Tageszeitungen offensichtlich eine Empfehlung beherzigt: Sie konzentrieren sich sehr viel stärker auf ihre regionale Kompetenz und konkurrieren weniger mit den Aufmachern der überregionalen Angebote. So gilt für die "Neue Osnabrücker Zeitung": Der Aufmacher ist immer regional. Das Aufmacher-Foto sollte hingegen überregionalen Bezug haben. Dazu kommen regionale Service-Angebote, die bei dem Regionalblatt beispielsweise unter "Parken in Osnabrück" zu finden sind. Die aktuelle Parkhausbelegung gibt es in dieser Rubrik und wer vor der Abfahrt vergessen hat, auf die "Radarmessung" zu klicken, kann sich zu Hause den aktuellen Bußgeldkatalog herunterladen.
Doch so gerne der Service - insbesondere samstags vor dem Wochenendeinkauf - in Anspruch genommen wird, vorrangig schätzen die Leser doch aktuelle Nachrichten aus Stadt und Umland.
Mit zwei Redakteuren arbeitet der zuständige Webmaster Michael Weber in Osnabrück. Über mehr Personal wäre er froh, doch Ressourcen wie beim größten im Netz, "Spiegel online", stellen die Tageszeitungen - und insbesondere die regionalen Blätter - für ihre elektronischen Ausgaben nicht zur Verfügung. Schließlich reichen auch die Einnahmen noch nicht, um die Internet-Präsenz auszubauen.
Denn das ist eine Kostenfrage. Wie sagte Neuberger in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" im vergangenen Jahr zu dem Thema: "Zugleich auf Aktualität, Vertiefung, Vernetzung und Interaktion zu setzen, hätte sicherlich einen positiven Gewöhnungseffekt für die Leser und würde der Medienmarke nützen. Dafür müssten die Verlage Geld in die Hand nehmen. Den langen Atem dafür haben nicht viele."