Doch während die Sportler sich auf Pressekonferenzen und Wahlkampfveranstaltungen die Klinke in die Hand geben, sind sie dort, wo die politische Arbeit stattfindet, deutlich seltener vertreten. Der wohl prominenteste Sportler mit Bundestagsmandat war von 1998 bis 2002 der Radrennfahrer Gustav-Adolf "Täve" Schur. Der ehemalige Volkskammer-Abgeordnete war über die Landesliste der sächsischen PDS in den Bundestag eingezogen und fungierte für seine Fraktion als sportpolitischer Sprecher. Parteichef Gregor Gysi gab damals offen zu, dass für die Partei die Prominenz der DDR-Radsport-Legende Schur wichtiger war als seine politische Kompetenz - und Konkurrenten im Wahlkampf wie der Grünen-Politiker Werner Schulz beschwerten sich darüber, Schur habe im Wahlkampf ohnehin nur Autogramme schreiben müssen.
Doch Täve Schur ist nicht der einzige, dem seine sportliche Karriere den Weg in den Bundestag ebnete. Turnweltmeister Eberhard Gienger bezeichnet sich auf seiner Homepage selbst als "Quereinsteiger". Seine politische Karriere ist schon kometenhaft zu nennen - seit 2001 ist der Baden-Württemberger CDU-Mitglied, schon ein Jahr später zog Gienger in den Bundestag ein. Ein lang gehegter Wunsch war das Mandat nicht: "Ich wurde gefragt, ob ich nicht einen Wahlkreis übernehmen würde. Und dann habe ich mir überlegt, wenn man schon gefragt wird, ob man an prominenter Stelle Einfluss nehmen will, dann sollte man das auch tun." Er sei, so Gienger, "ohne große Erwartungen und Vorstellungen, aber allem gegenüber offen" in die Politik gegangen - klar war nur, dass der Sportausschuss die Hauptwirkungsstätte sein sollte. "Der Sport ist die größte Bürgerbewegung, die wir haben. Dafür gute Bedingungen zu schaffen, ist eine gesellschaftliche Herausforderung."
Dass diese große Herausforderung auch jede Menge Kleinkram enthält, musste Gienger im ersten Jahr seiner Abgeordnetentätigkeit erfahren. War der 36-fache deutsche Meister und dreifache Europameister in seiner ersten Karriere vom Erfolg und mit Medaillen verwöhnt worden, begann 2001 die Kärrnerarbeit. "Im Sportausschuss stehen ja nicht nur die Highlights wie die Weltmeisterschaft auf der Tagesordnung. Es will ja auch jeder Landessportbund mit seinen Anliegen bedacht werden, man muss zu allen möglichen Meisterschaften, Schülerturnieren und Pokalendspielen." Und auch die WM sei mit jeder Menge Arbeit verbunden. "Die WM hat mit all ihren Facetten etwa 30 bis 40 Prozent unserer Arbeit in den letzten Monaten ausgemacht. Das geht ja schon seit 2002 - erst die Haushaltsentscheidungen, dann das Kulturprogramm, zum Schluss die Sicherheit." Wenn er der Meisterschaft entgegen blicke, empfinde er Freude, aber auch Verantwortung, so Gienger. Auf eine Prognose zum Ausgang des Fußballturniers will der Sportler, der heute nicht mehr täglich, sondern nur noch ein- bis zweimal pro Woche trainiert, sich nicht einlassen: "Die Erfahrung aus vielen Jahren zeigt, dass viele Faktoren dabei eine Rolle spielen, wer letztlich gewinnt: Form, Zuschauer, Konstellation und auch Glück. Ich wünsche mir aber, dass Deutschland es bis ins Halbfinale schafft. Dann sehen wir weiter."
Ganz so vorsichtig ist Bernd Heynemann in seiner Vorhersage nicht - und das könnte auch daran liegen, dass der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter in Sachen Fußball noch ein bisschen kompetenter ist als der Turner Gienger. Heynemann, der seit 1999 für die CDU im Bundestag sitzt, leitete von 1980 bis 2001 immerhin 98 Spiele der DDR-Oberliga, 151 Spiele der Bundesliga und 42 Europapokalbegegnungen - und er ist optimistisch: "Ich glaube daran, dass Deutschland Weltmeister werden kann und ich bin sicher, dass wir im Finale Brasilien gegenüber stehen werden."
Nicht nur in Sachen Prognose unterscheidet Heynemann sich von seinem Fraktionskollegen. Zwar profitierte auch der Schiedsrichter von seiner sportlichen Popularität, anders als Gienger hatte er vor seinem Einzug in den Bundestag aber schon politische Erfahrung. 1997 trat er in die CDU ein und kandidierte 1999 erfolgreich für den Magdeburger Stadtrat. Als er dann gefragt wurde, ob er auch für den Bundestag kandidieren würde, zögerte er nicht lange: "Überall heißt es, dass es in Sachsen-Anhalt Ausländerfeindlichkeit gibt und das Land in Sachen Wirtschaft die rote Laterne hat. Das wollte ich ändern." Auch für Heynemann war ein Sitz im Sportausschuss erste Wahl. "Ist doch klar: Das ist mein Fachgebiet." Seine Aufgabe versteht er nicht darin, Lobbyarbeit für eine bestimmte Sportart zu leisten. "Ich bin nicht hier für einen bestimmten Verein oder ein einzelnes Bundesland, sondern es geht darum, für gute Rahmenbedingungen zu sorgen. Das betrifft nicht nur den Spitzen-, sondern auch den Breitensport. Mein Herz schlägt eindeutig für den Fußball, aber im Sportausschuss muss ich mich auch mit anderen Themen beschäftigen."
Als Sportlobbyistin versteht sich auch Dagmar Freitag. Die SPD-Abgeordnete ist seit 2001 Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik Verbandes und war selbst Leichtathletin - "aber nie so erfolgreich wie etwa die Kollegen Gienger und Heynemann". Einfluss auf ihre Kandidatur hatte die sportliche Vergangenheit "nur bedingt": "Es ist natürlich von Vorteil, wenn einen viele Leute kennen. Aber ich habe ja auch vor dem Einzug in den Bundestag viel Kommunalpolitik in Iserlohn gemacht - ich war die erste und bislang einzige Frau, die den Vorsitz des Sportausschusses inne hatte - und das war sicherlich entscheidender." Dafür profitiert die 53-jährige Sportwissenschaftlerin in anderer Hinsicht vom früheren Training: "Im Sport muss man sich quälen. Das ist in der Politik genauso. Eine gewisse Selbstdisziplin hat mir in beiden Bereichen geholfen." Und auch wenn Dagmar Freitags Sportkarriere weniger schillernd war als die ihrer Kollegen - eines teilt die Sozialdemokratin mit ihren beiden berühmteren CDU-Kollegen: Karten für die WM haben alle drei nicht bekommen.