Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele ist noch immer empört. "Absolutes Unverständnis" hege er für die Entscheidung der deutschen Botschaften in Ghana und Nigeria, jungen Kickern aufgrund von Zweifeln an ihrer Rückkehrbereitschaft die Einreisegenehmigung und damit die Teilnahme an der ersten Straßenfußball-Weltmeisterschaft zu verweigern, sagte Ströbele dieser Zeitung. Das "streetfootballworld festival 06" fand ohne die beiden afrikanischen Teams parallel zur vierten Woche der FIFA-WM in einem eigens errichteten Bolzplatz-Stadion im Herzen von Berlin-Kreuzberg statt - mit finanzieller Unterstützung zweier Bundesministerien. Um so mehr sieht Ströbele in der mangelnden Visaerteilung ein schweres Foul gegen Deutschlands Weltmeisterschaftsmotto "Zu Gast bei Freunden".
Als "dringliche Frage" hatte der Grünen-Abgeordnete das Thema auf die Tagesordnung der letzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause gebracht. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), räumte in seiner Antwort ein, "dass die Ablehnung der Visa für die Betreffenden eine große Enttäuschung darstellt". Den Auslandsvertretungen könne aber kein Vorwurf für ihre Entscheidung gemacht werden, da sie nach geltendem Recht gehandelt hätten. In ausführlichen Gesprächen mit den Antragstellern sei zum Ausdruck gekommen, dass diese "keine gesicherte Zukunftsperspektive in ihren Heimatländern sehen". Einige Jugendliche hätten dargelegt, "dass sie sich über das Straßenfußballfestival eine Karriere als Fußballprofis in Deutschland erhoffen", fügte Erler hinzu.
Neben Bündnis 90/Die Grünen ärgerte sich auch die Fraktion Die Linke über die Visaverweigerung. "Es kann doch nicht sein, dass man jemanden einlädt und ihm anschließend sagt: Es tut mir Leid, Sie erfüllen die Anforderungen für ein Visum nicht", entrüstete sich etwa Linksparlamentarier Hakki Keskin in der Bundestagssitzung.
Die 22 Mannschaften aus fünf Kontinenten auf dem Kreuzberger Mariannenplatz hatten während ihrer WM ihre ganz eigene Art, mit der Einreiseverweigerung umzugehen. Für die Lücken, die das Fehlen von Ghana und Nigeria im Spielplan hinterlassen hatte und die von den Organisatoren bewusst nicht gefüllt worden waren, dachten sie sich immer wieder etwas Neues aus. Einmal präsentierte die Initiative "Straßenfußball für Toleranz" aus Potsdam ein Transparent, auf dem alle Mannschaften ihre Flaggen als Blätter eines Baumes gemalt hatten. Die Botschaft an "Play Soccer" aus Ghana und "Search & Groom" aus Nigeria lautete: "Wir vermissen Euch." Ein anderes Mal ersannen die Spieler aus Kenia und Chile einen besonderen Pausenfüller. Schon vor einem Freundschaftsmatch tauschten sie die Trikots, um Gemeinschaft und Völkerverständigung zu demonstrieren. Damit setzten die rund 200 Kicker "die andere Dimension des Spiels", wie das Motto des Festivals lautete, beherzt in die Tat um. Alle Jugendlichen kommen aus Projekten, in denen Fußball mehr ist als nur ein Sport - es geht um den Kampf gegen Drogen, um soziale Integration, darum, Straßenkindern eine neue Perspektive zu geben. Bei "Football pour la paix" aus Ruanda beispielsweise spielten nicht nur junge Frauen und Männer zusammen, sondern auch Mitglieder der einst in einen blutigen Bürgerkrieg verstrickten Volksgruppen Hutu und Tutsi. Im "Peace Team" aus Tel Aviv kämpften Israelis und Palästinenser gemeinsam um Tore. "Der Sport hilft, Grenzen zu überwinden", ist Teammanager Anwar Zaidan überzeugt.
Organisiert wurde die Weltmeisterschaft der Straßenkicker vom Netzwerk streetfootballworld unter dem Dach der Stiftung Jugendfußball. Ihm gehören inzwischen weltweit mehr als 70 Projekte an. Für das Team um Geschäftsführer Jürgen Griesbeck ist nach der WM vor der WM: In vier Jahren soll, wieder parallel zum Weltcup der Profis in Südafrika, zum zweiten Mal der Champion der Straßenkicker ermittelt werden - dann mit Teams aus Ghana und Nigeria, wie Griesbeck hofft. Schließlich gehe es darum, "Abseits aufzuheben".