Was von "Du bist Deutschland" übrig blieb, waren allgegenwärtige Deutschlandfähnchen und eine mit sich selbst zufriedene, fröhliche deutsche Nation im Fußballsommer 2006. Nicht als Ursache, aber als einen der Wegbereiter für den unverkrampften Patriotismus während der WM bewertet Werbefachmann Lars-Christian Cords die größte Social Marketing Kampagne, die das Land je gesehen hat. "Wir haben schon ein paar Monate vorher ein Beispiel für positiven Nationalismus in Deutschland gegeben, und wir haben die Bugwelle schon abgearbeitet, die sonst gekommen wäre, als die ersten Fähnchen auf den Autos montiert wurden", erklärt der Kampagnen-Sprecher Cords.
Die "Bugwelle" in Form von kritischen Kommentaren aus den Feuilletons vieler deutscher Zeitungen ließ nicht lange auf sich warten als die Aktion am 26. September 2005 startete. Elf Fernsehsender zeigten nahezu gleichzeitig den zweiminütigen Spot der Imagekampagne, in dem Prominente angefangen von Nationalspieler Gerald Asamoah bis hin zur TV-Moderatorin Anne Will mit einem "Du bist Deutschland"-Manifest an die Tatkraft der Deutschen appellierten. 17 Millionen Zuschauer sahen zu. "Innerhalb einer Stunde nach der Ausstrahlung besuchten eine Million Besucher unsere Internetseite", berichtet Cords.
Initiatoren der Kampagne waren 25 deutsche Medienunternehmen unter Federführung der Bertelsmann AG. Sie stellten in der viermonatigen Kampagnenzeit kostenlos Werbeflächen und Sendezeit im Wert von 30 Millionen Euro zur Verfügung. "Du bist Deutschland" konnte in 40 Zeitschriften, 21 Zeitungen, in 1.866 Kinos, auf 2.326 Plakatwänden und elf Sendern werben. Dadurch sei jeder Deutsche durchschnittlich 16 Mal mit dem Slogan konfrontiert gewesen, errechneten die Organisatoren.
Ziel der Medienunternehmen war ein nationaler Stimmungsumschwung. Die mediale Stimmung sei 2005 schlecht gewesen, so Cords. Umfragen hätten gezeigt, dass fast 70 Prozent der Deutschen glauben, sie seien nicht ihres Glückes Schmied. "Das wollten wir drehen", sagt Cords. "Die Kampagne sollte eine Aufbruchstimmung erzeugen. Frei nach dem Motto von John F. Kennedy: Frage nicht, was Dein Land für dich tun kann. Frage, was Du für Dein Land tun kannst." Ein Schelm, wer jetzt daran denkt, dass die Unternehmen damit auch den Konsum ankurbeln wollten, aber schon 2004 kam die Boston Consulting Group in ihrer Studie "Deutschland - ein Perspektivenwechsel" zu dem Schluss: "Deutschland braucht einen emotionalen Turnaround." Selbstvertrauen und Zukunftsoptimismus seien "die entscheidenden Voraussetzungen, um durch einen positiven Stimmungsumschwung die Wachstumsimpulse zu verstärken und das Konsumklima zu verbessern".
Die betont einfache Botschaft "Du bist Deutschland" stammt von Oliver Voss von der Werbeagentur Jung von Matt, der auch den Slogan "Geiz ist geil" erfand. Die Botschaft "Du bist Deutschland" löste eine massive Debatte in der Bevölkerung aus. "Zu Spitzenzeiten haben hier 15 Leute den ganzen Tag nur die Reaktionen am Telefon entgegengenommen", berichtet Cords. Mehr als 7.500 Anfragen seien per Mail gestellt worden und mehr als 8.000 Menschen hätten auf der Webseite der Kampagne in einer Galerie ihre eigenen Gedanken zu Deutschland eingetragen. Auch in einer Vielzahl von Internetforen war die Aktion heiß diskutiertes Thema.
Insbesondere bei Unternehmen fand "Du bist Deutschland" breite Zustimmung. Es hätten sich weit mehr als 1.000 Unternehmen und Initiativen im Kampagnenbüro gemeldet, um die Aktion zu unterstützen - zum Beispiel durch den Aufdruck des Kampagnenlogos auf Brötchentüten oder Streichholzschachteln. Manche hätten auch mehr Azubis eingestellt als zunächst geplant, erzählt Cords. Noch heute, neun Monate nach Kampagnenschluss, meldeten sich Unternehmen, Vereine und Schulen mit neuen Ideen, die weiter auf der Internetseite veröffentlicht werden.
"Du bist Deutschland" erntete jedoch - vor allem in 2.500 Pressebeiträgen - auch viel Kritik. Sie missbrauche die geballte Medienmacht, trage klare neoliberale Züge und wolle die bestehenden Besitzverhältnisse wahren, meinten die Gegner. So warf unter anderem die Wochenzeitung "Die Zeit" den Machern vor, sie stelle die Arbeitslosigkeit zynisch als Folge der schlechten Laune der Deutschen dar, "also als ein Privatphänomen, das jederzeit durch innere Einkehr und positives Denken korrigiert werden könnte". Strittig waren auch manche Motive der Plakatserie, die an erfolgreiche Deutsche erinnerte. Vor allem "Du bist Thyssen" und "Du bist Porsche" hätten wegen der Kollaboration der Unternehmen mit den Nazis Kritiker auf den Plan gerufen, erzählt Kampagnensprecher Cords. Man habe sich diesen Debatten gestellt. "Uns ging es darum, Persönlichkeiten zu zeigen, die für Produktlandschaften und Leistungen stehen." Und zu keiner Zeit hätten es Rechtsradikale geschafft, die Kampagne zu vereinnahmen, betont der Werbeexperte.
Nach einer Umfrage der GfK-Marktforschung hat "Du bist Deutschland" 58 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre erreicht, ein Drittel davon fühle sich durch die Kampagne motiviert. Bei vielen Unternehmen sei ein "gefühlter Aufschwung" zu verzeichnen, für den auch "Du bist Deutschland" verantwortlich zeichne, so Antonella Mai-Pochtler, Geschäftsführerin der Boston Consulting Group. Die Initiatoren sehen ihr Ziel erreicht, sagt Lars-Christian Cords. Es gebe intensive Gespräche darüber, mit dem gleichen Team ein Nachfolgeprojekt auf die Beine zu stellen. Das genaue Thema sei aber noch nicht spruchreif.
Internet: http://www.du-bist-deutschland.de
Die Autorin arbeitet als Journalistin in Köln.