Wenn Oberbürgermeister Bernhard Deubig aus seinem Bürofenster schaut, fällt sein Blick direkt auf das Fritz-Walter-Stadion. Für 71,2 Millionen Euro ist das Wahrzeichen Kaiserslauterns für die Fußball-Weltmeisterschaft umgebaut worden. Ost- und Westtribüne wurden gehoben, ein Logenturm und ein Medienturm gebaut. Als I-Tüpfelchen funkelt über dem viereckigen Prachtbau mit seinen 48.500 Plätzen ein Solardach mit einer Fläche von rund 6.000 Quadratmetern im Sonnenlicht. Doch nicht nur der Betzenberg, sondern die gesamte Stadt zeigt sich seit der WM in ganz neuem Glanz. "Die WM 2006", bilanziert Deubig, "hat in unserer Stadt ein riesiges Rad in Schwung gebracht."
Das früher eher graue, am Rande der Westpfalz gelegene Kaiserslautern ist in diesem Sommer zu einer Gastgeberin mit internationalem Flair avanciert. Der CDU-Politiker spricht von einem "weltweiten Imagegewinn" für die kleinste der zwölf WM-Städte. "Der SWR hat an 18 Tagen vom Stiftsplatz berichtet. Das ist besser als jede Anzeigenkampagne", sagt der OB. Fünf Spiele fanden in der Heimatstadt Fritz Walters statt, die Austragungsort bis zum Achtelfinale war. 100.000 Einwohner hat Kaiserslautern. An jedem Spieltag kamen rund 100.000 Fans in die Stadt. 850.000 Besucher waren es insgesamt. Die Hotels waren mit 30.000 Übernachtungen ausgebucht. Auch wenn Kaiserslautern und sein Vorort Ramstein mit rund 55.000 US-Bürgern die größte amerikanische Gemeinde außerhalb der USA beherbergt und nicht zuletzt als internationaler Forschungsstandort an viel Publikum gewöhnt ist, verlangte die WM doch einen Kraftakt von den "Lauterern".
600 Veranstaltungen gingen nach Angaben von WM-Koordinator Erwin Saile an 18 Tagen in Kaiserslautern über die Bühne. 400 freiwillige Helfer waren im Einsatz. Der Bahnhof und sein Umfeld wurden komplett saniert, die Autobahn sechsspurig ausgebaut, Großparkplätze geschaffen, die Verkehrsführung verändert, ein Fußgängerleitsystem via Handy entwickelt. Roboterhunde warben weltweit für die Fußballstadt. Fassadenverschönerungen, Blumenschmuck und Lichtkunst verstanden sich von selbst. Auf eine Eventagentur verzichteten die Veranstalter: "Wir haben alles selbst gemacht", erklärt Saile stolz.
Und der Einsatz hat sich nach Einschätzung der Beteiligten gelohnt. "Die WM hat die Infrastruktur der Stadt 20 Jahre voran gebracht", sagt Michael Schaum von der Industrie- und Handelskammer. "Das sind Dinge, die nicht verpuffen, sondern der Wirtschaft erhalten bleiben." Letztlich, so Schaum, profitiere die ganze Region auch mit Blick auf potentielle Arbeitskräfte. Attraktiver sei der Standort Kaiserslautern geworden, betont auch Saile: "Wir sind schon jetzt eine Forschungsstadt, in der in naher Zukunft rund 800 Wissenschaftler leben werden. Gerade Leuten mit hochqualifizierten Arbeitsplätzen muss eine Stadt Lebensqualität bieten, sonst siedeln sie sich nicht an."
Die Investitionen in die WM-Region finanzieren sich nach Auffassung des rheinland-pfälzischen Finanzministers Ingolf Deubel von selbst. Bundesweit werde das Bruttoinlandprodukt bis 2010 durch die WM um 6,5 Millionen Euro steigen, bezieht sich der SPD-Politiker auf aktuelle Analysen. Für Rheinland-Pfalz bedeute dies ein Plus von 320 Millionen Euro. Viele Investitionen in Straßen und Sicherheit seien "nur vorgezogen" worden. Zehn Millionen Euro steckte das Land unter anderem allein in den Katastrophenschutz, 4,5 Millionen Euro in eine Rettungsleitdienststelle in Kaiserslautern. Am Ausbau des Stadions beteiligte sich die Landesregierung mit 44 Millionen Euro. Doch vor dem Hintergrund der volkswirtschaftlichen Daten findet Deubel: "Das Geld ist gut angelegt worden."
Einen Anstieg von drei Prozent in der Wertschöpfung nennt Oberbürgermeister Deubig für seine Stadt, die damit auf dem zweiten Platz unter den WM-Städten liegt. Doch, was den CDU-Politiker mehr noch als die Zahlen positiv stimmt, ist das neue Selbstbewusstsein seiner Bürger. "Ich habe deutlich den Eindruck, dass sich Kaiserslautern in den Köpfen der Menschen verändert hat." Die Lauterer wüssten plötzlich: "Wir können das." Die neue Aufbruchstimmung möchte Deubig nun ausnutzen, um das in Schwung geratene Rad weiter rollen zu lassen. Dem OB schwebt vor, Sport zu einem "Entwicklungscluster" von Kaiserslautern zu machen. Und damit meint Deubig durchaus nicht nur Fußball. Auf dem ehemaligen Werksgelände des Nähmaschinenfabrikanten Pfaff möchte der Oberbürgermeister eine Sportarena bauen für Tenniswettkämpfe, Hand- und Basketballspiele und Radrennen. Auf der 200.000 Quadratmeter großen Fläche sollen zudem ein Wellness-Hotel entstehen und ein interaktives Fußballmuseum. In Amerika heißt so etwas "Zocker-Hall of Fame". So soll aufbauend auf der gelungenen Fußball-WM Kaiserslautern zu einer Stadt der Sportkompetenz werden.
Dass der erste FC-Kaiserslautern, der unter anderem den rheinland-pfälzischen Regierungschef Kurt Beck zu seinen treuesten Fans zählt, just zu dieser Saison in die zweite Bundesliga abgestiegen ist, bremst den Elan Deubigs keineswegs. 3,2 Millionen Euro Miete pro Jahr muss der Verein laut WM-Koordinator Saile an die stadteigene Stadiongesellschaft zahlen, egal in welcher Liga er spielt. Dennoch rechnet Deubig - zumindest im ersten Jahr in der zweiten Liga - nicht mit Einbrüchen. 40.000 Fans kamen immerhin zum ersten Bundesligaspiel. Um die Zuschauer müsse man sich im Moment keine Sorgen machen, sagt Saile: "Aber die Mannschaft muss wieder aufsteigen." Das Stadion jedenfalls ist für ihn eine Voraussetzung, um erstklassigen Fußball zu zeigen. Und auch Finanzminister Deubel findet den Ausbau nach wie vor berechtigt. Für ihn lautet die Rechnung kurz und knapp: "Ohne Stadion keine WM, ohne WM keine positiven wirtschaftlichen Effekte."