In diesem Krieg gekämpft zu haben, scheint diesen Männern auch 60 Jahre nach Ende des Konflikts - ein ganzes Leben lang später - noch immer so wichtig gewesen zu sein, dass sie ihren Dienst für ihr Land eingemeißelt wissen wollten in Stein, für die Ewigkeit.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs ist wichtig für das Verständnis von Patriotismus in diesem Land. Ein Verständnis, vor allem auch ein Selbstverständnis dieser Nation, das durchweg positiv besetzt ist, während in Deutschland genau das Gegenteil der Fall war.
Patriotismus in den USA hat nicht notwendigerweise etwas mit Nationalismus zu tun. Zum Ende der Bush-Ära sind die Menschen nicht mehr oder weniger patriotisch als sie es zu Zeiten Clintons oder Reagans waren. Patriotismus ist der Seelenzustand dieser Nation. Eine optimistisch besetzte Geisteshaltung: der Glaube, dass ihre repräsentative Demokratie tatsächlich das ist, was George Washington als das "großartige Experiment" bezeichnet hat.
Oft erscheint es einem Fremden, als müssten sich die Amerikaner ständig selber daran erinnern, wie patriotisch sie sind. Dazu hängt ihre Flagge überall: auf Plätzen, in Parks, an ihren Häusern und Autos. Selbst beim Gebrauchtwagenhändler flattert ein riesiges Sternenbanner über den spritfressenden Geländewagen. "Stars und Stripes" überall: auf T-Shirts, Kaffeetassen, Kappen und Kissen. Die Flagge ist allgegenwärtig und besonders rund um den 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag, scheint es, als wäre die gesamte Nation von der "Flaggen-Manie" infiziert. Selbst auf den Titelseiten von Kochjournalen springt dem Lesern "rot, weiß und blau" entgegen und die verlockende Versprechung, jeder könne eine "Flaggen-Torte" backen. Es sei doch so einfach!
Für diejenigen unter uns, die Amerika von außen beobachten, kann es gelegentlich verstörend wirken, ständig zu hören: "Ich bin stolz, Amerikaner zu sein!" Aber wer hier lebt, wird jeden Tag daran erinnert, dass sich diese Nation aus vielen verschiedenen ethnischen Gruppen und Nationalitäten zusammensetzt und Patriotismus damit ein wichtiges Bindeglied in dieser Gesellschaft von Immigranten ist.
Anfänger haben in Amerika Tradition. Irgendwann ist nahezu jeder einmal von irgendwoher in diesem Land angekommen. Daher wundert es nicht, dass sich fast jeder Amerikaner mit einer weiteren Nationalität identifiziert. Unterwegs bei Dreharbeiten für die ARD sprach ich mit einer Frau, deren Familie seit 1850 hier lebt. "Wissen Sie, ich bin auch deutsch," sagte sie mir stolz. Gerade so, als hätte sie erst letzte Woche all ihre Habe zusammengepackt, um von Hamburg nach Minnesota auszuwandern.
Diese Nation ist in ständigem Fluss, voller alter und neuer Identitäten. Um dem Wesen ihres Patriotismus auf die Spur zu kommen, besuchte ich eine Einbürgerungszeremonie auf der National Mall in Washington. Am 17. September, dem Gedenktag der Verfassung, werden solche Feiern überall im Land abgehalten. 28.000 Menschen an 133 verschiedenen Orten wurden an diesem Tag neue Staatsbürger. Bei der Veranstaltung in Washington waren es Menschen aus der Türkei, Usbekistan, Süd-Korea, Guatemala, Ägypten, Frankreich, Kanada und noch vielen anderen Ländern. Sie waren in ihren besten Sonntagskleidern gekommen, begleitet von ihren Familien, um auf dem Rasen vor dem Kapitol den Treueeid abzulegen. Eine freudige Feier war das, kein verschämter bürokratischer Akt in einer verstaubten Amtsstube. Mitten auf der National Mall fand sie statt, während nur wenige Meter davon entfernt einige Jugendliche Football spielten.
Ich fragte einen der Neubürger, was Patriotismus für ihn bedeute. "Amerika ist eine Nation unterschiedlichster Menschen", sagte er. "Sie kommen aus aller Herren Länder. Ihre Meinungen sind verschieden, auch ihre Glaubensrichtungen. Aber sie alle vereint ein Gedanke: Sie wollen diesem Land dienen und an seiner Entwicklung teilhaben." Eine Lehrerin, die keine Neubürgerin war, die alle Staatsbürgerschaftsanwärter durch den Vorbereitungskurs begleitet hatte, antwortete: "Ich gehe auf die Knie und küsse die Erde, dass ich Amerikanerin bin. Ich habe die Chance, in einem Land zu leben, in dem wir Dinge für selbstverständlich erachten, die für viele Menschen in anderen Teilen der Welt nur Träume sind. Aber gerade jetzt durchleben wir eine schwierige Zeit, weil die Welt uns nicht länger als die große Nation sieht, die wir sind, sondern viele Dinge in Frage stellt, die unsere Regierung tut und die auch ich nicht gut finde. Ich glaube aber dennoch, dass Amerika der beste Platz auf Erden ist."
Patriotismus, so scheint es, hat hier wenig zu tun mit aktueller Politik. Patriotismus in den USA bedeutet einen Zwiespalt zuzulassen. Die meisten Amerikaner würden der Aussage zustimmen: "Ich kann meinen Präsidenten hassen, aber mein Land lieben." In der unmittelbaren Zeit nach dem 11. September schien es, als versuche Amerika sich mit seinem Patriotismus selber Mut zu machen und darin Trost zu finden. Angestoßen und ausgenutzt von der Regierung Bush verstieg sich der amerikanische Patriotismus zu einer beängstigenden Hybris, die einem hässlichen Nationalismus gefährlich nahe kam. Die Drohgebärde der Republikaner: "Wenn Du unseren Kampf gegen den Terror nicht unterstützt, dann bist Du kein guter Amerikaner", hat eine Zeit lang gewirkt. Jetzt steht Amerika vor Kongresswahlen. Und wieder setzen die Republikaner auf die bislang bewährte Angstmache.
Patriotismus kann missbraucht werden, um eine politische Agenda voranzutreiben. Aber das funktioniert nur kurzzeitig. Viele Amerikaner lernen gerade schmerzlich damit umzugehen, dass ihre Regierung Fehler ungeahnten Ausmaßes begangen hat und wollen sich dennoch nicht schämen müssen. Sie werden daher an ihrem inbrünstigen und unerschütterlichem Patriotismus festhalten, denn darin spiegelt sich das Wesen dieser Nation. Unabhängig von Präsident Bush oder dem Irak-Krieg ist für Amerikaner Patriotismus der Stolz auf das, was man ist und woher man kommt. Unbeschwert, unbelastet, unvoreingenommen. Trotz allem. Den Treueeid auf ihr Land abzulegen, ist für Kinder vom ersten Schultag an ein fester Bestandteil ihres Lebens. Patriotismus in den USA ist eine Selbstverständlichkeit, die gelegentlich naiv, häufig aber beneidenswert einfach erscheint.
Die Autorin ist ARD-Korrespondentin in Washington.