Manchmal treffen Fiktion und Realität in amüsanter Weise aufeinander. So wie bei einem Blick in den Schaukasten am Cinelux-Kinocenter in Siegburg, einer Kreisstadt zwischen Köln und Bonn. "Der Teufel trägt Prada", verkündet das Werbeposter für einen Streifen, in dem Meryl Streep die Teufelin genial verkörpert. Direkt daneben verspricht auf einem Wahlplakat, das aus der Zeit der Bundestagswahl 2005 stammt, die CDU-Kandidatin Elisabeth Winkelmeier-Becker, dass mit ihr ein "Ein neuer Anfang" gemacht wird. Das klingt - im Vergleich - wenig aufregend.
Doch für die 44-Jährige ist das Gegenteil der Fall. Sie hat ihr berufliches und privates Leben für ihre Rolle im Bundestag völlig umgekrempelt. Aus der Familienrichterin in Teilzeit mit Ehemann, drei Kindern und kommunalpolitischen Aufgaben ist eine Bundestagsabgeordnete mit Direktwahlkreis, Ehemann, drei Kindern und angestellter Haushälterin geworden.
Die Zwischenbilanz, die sie mit "Das Parlament" zieht, ist eindeutig: "Total interessant" und "hochspannend" sei die Zeit gewesen. Doch schlagwortartige, reduzierte Aussagen liegen der Juristin nicht, wie das weitere Gespräch zeigt. Sie legt Wert auf Differenzierung. Man spürt, dass sie es gewohnt ist - und das hat sicher mit ihrem früheren Beruf zu tun -, verschiedene Perspektiven einzunehmen, um sich ein Urteil zu bilden. Dass sie im neuen Job wieder Anfängerin war, akzeptierte sie: "Im ersten Jahr ging es darum, die Verfahren kennen zu lernen. Es war auch eine Konfrontation mit einer Vielzahl von Themen und Informationen und ihren Verschränkungen untereinander." Und mit Personen: "Mit einem Mal begegnet man den Leuten, die diese Themen ganz prominent vertreten, wie beispielsweise dem Chef der Bundesagentur für Arbeit oder dem Chef des DGB. Natürlich werden diese Begegnungen normal. Aber im ersten Moment sind sie es nicht." Sie hatte sich darauf gefreut, eben nicht mehr "nur" Einzelfälle zu bearbeiten, sondern einen größeren Rahmen im Blick zu haben. Größer als bei einer Bundestagsabgeordneten kann dieser Rahmen wahrscheinlich gar nicht sein. "Die Vielzahl der Themen habe ich unterschätzt und den Zeitdruck, um dann am Stück gedanklich eigene inhaltliche Dinge konzipieren zu können und zu Papier zu bringen. Der Terminstress in Berlin ist immens."
Dabei ist die Familienrichterin einiges gewohnt. Schon als Teilzeitrichterin mit einer 50-Prozent-Stelle habe sie etwa 220 Fälle im Jahr bearbeitet. Jetzt feilt sie im Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit an den Gesetzen, die vorher Basis ihrer Entscheidungen bei Gericht waren. Ein spannender Perspektivwechsel.
Als stellvertretendes Mitglied sitzt sie im Rechtsausschuss, wo sie als Juristin, die Familienpolitik macht, auch schon mal mit der Bundesjustizministerin diskutiert. So wünscht sie sich Verbesserungen etwa beim Unterhalts- und Verfahrensrecht. Von einer Reform des Unterhaltsrechts, zu der es gerade im Bundestag eine Anhörung gab, verspricht sie sich zeitgemäßere Anforderungen an die berufliche Eigenverantwortung nach der Scheidung. Allerdings sieht sie die Gefahr, dass in Zukunft durch die beabsichtigte Regelung vor allem Elternteile schlechter gestellt werden, die zugunsten von Kindererziehung eigene Karrierechancen zurückgestellt haben. Daneben ist für die Parlamentarierin die Familienkasse das wichtigste Thema. Die Idee ist, alle familienpolitischen Maßnahmen auf den Prüfstand zu stellen und auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen und anschließend klarere, übersichtlichere, straffere und effektivere Strukturen aufzubauen. Das geht nur in enger Zusammenarbeit mit den Ländern, was die Sache noch komplizierter macht.
Elisabeth Winkelmeier-Becker engagiert sich außerdem im Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement". Privat hat sie bereits 1995 den Verein "amare" gegründet, ein brasilianisches Kinderförderprojekt. "Es ist ein gutes Projekt, für das man mit gutem Gewissen werben kann, weil das Geld effektiv eingesetzt wird", unterstreicht sie.
Und was hält die Familienrichterin von "Scheidung light" beim Notar, die für Eheleute ohne Kinder angedacht ist? Die Fachfrau sieht das aus diversen Gründen eher kritisch. Der Aspekt Entlastung der Gerichte greife nur bedingt, denn die einfachen Fälle, die zum Notar gehen sollen, machten den Richtern ohnehin vergleichsweise wenig Arbeit. Zum anderen könne die "Scheidung light" dazu beitragen, vorschnell eine endgültige Trennung anzugehen und unüberlegte, aber bindende Entscheidungen im Unterhaltsrecht zu fällen. Jedenfalls sei das, was sich sprachlich so sympathisch anhöre, in der Realität wesentlich komplexer, so die Abgeordnete. Komplex war für sie auch die Entscheidung zum Einsatz deutscher Soldaten im Libanon. "Man muss die Entscheidung auf die konkrete Alternative verengen. Wir machen nichts anderes, als mit für das Ende der kriegerischen Handlungen zu sorgen."
Eine neue Erfahrung war es für Elisabeth Winkelmeier-Becker, das Bild der Abgeordneten ausfüllen zu müssen und mit dieser Prominenz umzugehen. Menschen hielten sie gelegentlich für etwas Besonderes, fühlten sich durch ihr Erscheinen geehrt. "Das darf man nicht zu persönlich nehmen", weiß sie. Es sei dem Amt geschuldet. "Ich nehme es mit Erstaunen zur Kenntnis." Wichtig sei dagegen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren - damit fange gute Politik an. "Man muss einen offenen Blick haben für die Lebensrealität der Menschen, für das, was sie beschäftigt", hebt sie hervor. Trotz mancher Merkwürdigkeiten: Ihren Rollenwechsel in das Genre "Bundespolitik" bereut sie nicht.