Deutschlands Hochschullandschaft steht auf "zwei Beinen", Forschung und Lehre, - aber momentan auf tönernen Füßen. Bis zum Jahr 2010/2011 werden voraussichtlich 90.000 Studierende mehr an die bundesdeutschen Hochschultüren klopfen. Schon jetzt klagen viele der 350.000 Studienbewerber über überfüllte Hörsäle, zu wenig Seminarplätze und schlecht ausgestattete Bibliotheken. Bis zum Jahr 2014 wird die Zahl der Studenten nach Schätzungen der Kultusminister insgesamt um ein Viertel steigen - auf 2,7 Millionen. Um die Leistungsfähigkeit der Universitäten zu verbessern und mehr Studienplätze für die geburtenstarken Jahrgänge zu schaffen, haben sich Bund und Länder auf einen Hochschulpakt verständigt. Am 19. Oktober hatten sich beide bei einer gemeinsamen Konferenz aber nicht über die Verteilung der Gelder einigen können.
Bündnis 90/Die Grünen fürchten nun, dass die Vereinbarung scheitern könnte. In einer Aktuellen Stunde am 26. Oktober erklärte Krista Sager für ihre Fraktion: "Der Pakt ist einfach unterfinanziert." Es seien mehr Studienplätze nötig. Bundesbildungsministerin Annette Schavan warf sie vor, halbherzig zu agieren. Gleichzeitig kritisierte Sager, dass es Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg, die seit Jahren überdurchschnittlich ausbilden, nicht honoriert werde. Eine Anspielung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Sanierungshilfen des Bundes für Berlin abgelehnt hatte - auch mit dem Hinweis, Berlin leiste sich drei Universitäten. Sachsens Staatsministerin Eva-Maria Stange (SPD) bezeichnete das Urteil des Gerichts als "weltfremd" und verwies in ihrem Debattenbeitrag auf die unterschiedlichen Interessen der Länder hinsichtllich der Zahl der Studienplätze. Langfristig müsse es daher einen fairen Interessenausgleich zwischen den Ländern geben. Dennoch blieb sie zuversichtlich: "Wir sind auf der Zielgeraden"- die Wissenschaftsminister würden den Pakt voraussichtlich bis zum 10. November besiegeln.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) verwies in der Debatte ebenfalls auf die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern. "Der Hochschulpakt wird von den Regierungschefs von Bund und Ländern im Dezember beraten und verabschiedet werden", kündigte die Ministerin an. Darin werde die gemeinsame Verantwortung beider Seiten bis zum Jahr 2020 festgeschrieben. Der Bund hatte Anfang Oktober angekündigt, sich mit knapp einer Milliarde Euro, davon bis 2010 mit 565 Millionen, an der Förderung der Hochschulen beteiligen zu wollen. Uwe Barth (FDP) äußerte Zweifel daran, ob die Länder diese Summe überhaupt aufbringen könnten. Die Beratungen am 19. Oktober hätten gezeigt, wie "die Länder, die von ihnen nach Abschluss der Föderalismusreform beschworene gesamtstaatliche Verantwortung verstehen: Sie nehmen sie schlicht nicht wahr".
Cornelia Hirsch von der Linksfraktion stellte fest, dass es zwar ein fraktionsübergreifendes Anliegen sei, die Kapazitäten an den deutschen Hochschulen zu verbessern, betonte jedoch: "Die finanziellen Mittel machen nur einen Bruchteil dessen aus, was wir zur Zeit eigentlich an unseren Hochschulen benötigen. Beim Hochschulpakt fehlte vor allem "die Berücksichtigung der sozialen Aspekte", kritisierte Hirsch. Nur etwa zehn Prozent der Studierenden kämen aus Familien mit geringem Einkommen, so Hirsch. Für die Sozialdemokraten bezeichnete Thomas Oppermann den Hochschulpakt nicht als Problem, sondern als "bildungs- und wirtschaftspolitischen Glücksfall". Gleichzeitig verwies er auf die besondere Verantwortung der Länder: "Würden die Länder diese Zuständigkeit jetzt nur halb so kraftvoll ausfüllen, bräuchten wir zu diesem Thema keine Aktuelle Stunde." Nicht nur für die Länder brachte es Baden-Württembergs Wissenschaftssenator Peter Frankenberg (CDU) auf den Punkt: "Nach dem Ende der Fußballweltmeisterschaft darf ich vielleicht vorsichtig betonen, dass unsere Zukunft eben nicht in unseren Füßen, sondern in unseren Köpfen liegt."