Wortlaut der Reden
Peter Conradi, SPD | Dr. Gregor Gysi, PDS/Linke Liste >> |
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag, den Herr Schily und ich begründen, soll in dieser schwierigen Debatte Klarheit schaffen. Unbeschwert von allen Details und Finessen des sogenannten Konsensantrags soll das Haus eine eindeutige Aussage dazu machen, daß es die räumliche Trennung von Parlament und Regierung nicht will. Eigentlich müßte über diesen Antrag vor allen anderen Anträgen abgestimmt werden. Aber der Ältestenrat hat anders entschieden. Das zeigt die Verwirrung, die hier in den letzten Wochen entstanden ist. Vielleicht wäre die Verwirrung geringer, hätten wir bei der Beratung dieser Frage den normalen parlamentarischen Weg über die Ausschüsse versucht. So aber haben Gremien beraten, die es in der Verfassung gar nicht gibt, unter Beteiligung von Politikern, die dazu nicht legitimiert sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der gute Wille dieser Gremien sei nicht bestritten. Aber bei einigen Beteiligten möchte man doch die Kompetenz bestreiten. Denn bei allem Respekt vor der Organbank und ihrer geballten Würde, auch bei allem Respekt vor dem Einfallsreichtum der Kontroll -- -- -- (Widerspruch bei der SPD) Bei allem Respekt vor der Phantasie der Konsenskommission habe ich mich doch sehr gewundert, daß uns Politiker, die nie normale Abgeordnete waren, die unser Alltagsgeschäft, etwa die Berichterstattung über ein Gesetz, gar nicht kennen, Modelle für unsere Arbeit vorlegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ich meine, die Häuptlinge, die im warmen Wigwam bedeutungsvoll die Pfeife rauchen, sollten uns Indianern nicht sagen, wo und wann die Büffel zu jagen sind. (Heiterkeit -- Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU -- Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Nichts gegen Pfeifenraucher!) Der Bundestag hat durch dieses Verfahren nicht an Ansehen gewonnen. Ich bedaure das. Der Konsensantrag, den Herr Geißler hier begründet hat und der eine neue deutsche Teilung will -- die Teilung von Parlament und Regierung --, ist ein unehrlicher Vorschlag. Wären sich die Befürworter von Bonn und Berlin des Ausgangs der Abstimmung gewiß, hätten Sie, Herr Geißler, keine Chance mit Ihrem Antrag; denn insgeheim hoffen wohl beide, dieser Konsens würde in einigen Jahren kippen. Da mögen Berliner denken: Wenn das Parlament erst einmal in Berlin ist, wird die Regierung schon nachkommen. Der eine oder andere Bonner mag denken: Jahrelang wird nichts geschehen; schließlich gewöhnen wir uns an Bonn und bleiben doch hier. -- Ich versuche, mir vorzustellen, was Herbert Wehner zu Ihrem Vorschlag gesagt hätte. Ich will das hier nicht ausbreiten, sonst bekäme ich Ordnungsrufe. (Heiterkeit -- Beifall bei der SPD) Der Teilungsantrag von Herrn Geißler geht an den Kern der parlamentarischen Demokratie. In der parlamentarischen Demokratie müssen Parlament und Regierung ständig miteinander arbeiten, sich ständig miteinander auseinandersetzen und ständig miteinander nach der Mehrheit suchen. Wer das auf die Frage reduziert, ob ein paar Ministerialräte auf der Zeitschiene nach Bonn jetten oder uns ihre Meinung per Fax mitteilen, der hat das Wesen der parlamentarischen Demokratie nicht begriffen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Parlamentarische Demokratie, das heißt ja gerade die tägliche, intensive und dichte Kommunikation in vielen informellen Kontakten. Für mich beginnt das bei der Frühstücksrunde im Langen Eugen, wo gelästert wird und wo man erfährt, was in der Woche passiert; es setzt sich im Aufzug fort und endet abends in der Kneipe, wo mir ein Beamter sagt: Stellen Sie morgen im Ausschuß mal die und die Frage; da kann ich Ihnen was Tolles erzählen. (Heiterkeit -- Friedrich Bohl [CDU/CSU]: Jetzt wissen wir es! -- Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Welcher Beamter hat Ihnen denn die Rede aufgeschrieben?) -- Ich schreibe meine Reden, wie Sie wohl wissen, selber auf. Der tägliche, dichte Kontakt zwischen Regierung und Parlament, zwischen Mehrheit und Minderheit wird durch den Teilungsantrag zerrissen. Das Gespräch zwischen Menschen, meine Damen und Herren, kann man nicht durch Technik ersetzen. Gott sei Dank! (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der PDS/Linke Liste) Deshalb sollte jetzt Schluß sein mit dem Taktieren und dem Finassieren, mit dem Nebelwerfen und den immer neuen Verwirrspielchen. Es geht in dieser ersten Entscheidung, die wir fällen, nicht um Bonn oder Berlin. Bonn ist mir wichtig; Berlin ist mir wichtiger. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aber die parlamentarische Demokratie ist mir wichtiger als Bonn und Berlin zusammen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der PDS/Linke Liste) Deswegen meine ich, wir sollten zuerst gemeinsam beschließen: Wir wollen diese Trennung von Regierung und Parlament nicht. Danach werden wir, wie es sich für ein Parlament gehört -- und wenn es sein muß, mit einer Stimme Mehrheit --, über Berlin und Bonn entscheiden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster hat der Abgeordnete Gregor Gysi das Wort. |