Wortlaut der Reden
Clemens Schwalbe, CDU/CSU | Konrad Weiß (Berlin), Bündnis 90/GRÜNE >> |
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussionen in der letzten Zeit um den Sitz von Parlament und Regierung wurden so geführt, als sei die heutige Entscheidung die Schicksalsentscheidung für die deutsche Nation. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch den Berlin-Antrag »Vollendung der Einheit Deutschlands«, so, als ginge es darum, einen neuen Einigungsvertrag auszuarbeiten. (Dr. Franz Möller [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Das Schicksal der Nation entscheidet sich nicht durch die heutige Entscheidung, sondern dadurch, wie in allen neuen Ländern der Aufschwung vorangeht, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) und dies nicht nur am heutigen Tag, sondern Tag für Tag. Wir wägen das Für und Wider für eine Region ab, in der wir neue Arbeitsplätze schaffen wollen, in der wir überhaupt keine wegzunehmen bräuchten. Hätten wir so intensiv, wie wir in letzter Zeit um Bonn und Berlin gestritten und Kompromisse gesucht haben, um Leuna und Buna gestritten, ich sage Ihnen, wir hätten bereits eine Lösung gefunden, wie wir in dieser Region 50 000 Arbeitsplätze retten könnten. Diese Diskussion, meine Damen und Herren, hätten die Menschen dort vor Ort auch verstanden. (Hans Peter Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Nein, wir streiten statt dessen darüber, welche Arbeitsplätze wir einer Region anbieten können, weil wir meinen, aus der Geschichte ableiten zu können, daß die vorhandenen Arbeitsplätze dieser Region nicht zustehen. Der Sitz des Parlaments und der Regierung ist für die Zukunft Deutschlands nicht das Entscheidende, meine ich, wie uns mancher glauben machen will. So werden wir mit Schlagworten bombardiert: »Wer nicht für Berlin ist, macht sich zum Gespött der Welt«, »Welch erbärmliches Schauspiel geben die Bonn-Provinzler ab«; das geht hin bis zu »Verrat am Vaterland und an den neuen Bundesländern«. (Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Das hat doch keiner gesagt! Bringen Sie hier keinen Popanz in die Diskussion!) -- Mein lieber Herr Kittelmann, schlagen Sie mal die heutigen Zeitungen auf; dann können Sie das wortwörtlich nachlesen. Das gipfelt darin, daß man heute in einer großen deutschen Tageszeitung nachlesen kann: Alles geht von Berlin aus. Aber genau das ist der Punkt, warum ich als Vertreter der neuen Bundesländer für einen Vorschlag eintrete, der eine Ausgewogenheit für alle unsere Länder vorsieht. Die Zukunft unseres Vaterlands ist nun einmal von der Entwicklung in ganz Deutschland abhängig und nicht nur von Berlin. Wir brauchen kein übermächtiges politisches und wirtschaftliches Machtzentrum, (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr richtig!) dessen Umfeld von Anfang an zu Wettbewerbsnachteilen verurteilt ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Wenn ich einer wahrhaft umstrittenen und unpopulären Steuererhöhung meine Zustimmung gegeben habe, so habe ich das mit gutem Gewissen für den Aufbau der neuen Länder getan. Aber ich habe es nicht dafür getan, daß der größte Teil dieses Geldes für einen neuen Parlaments- und Regierungssitz ausgegeben wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Das, meine Damen und Herren, überstiege mein Solidarverständnis. Ich füge noch etwas hinzu: Berlin sollte doch endlich einmal mit sich selbst ehrlich sein. Die Probleme, die mit der Einheit dieser Stadt verbunden sind, der prognostizierte Zuwachs dieser Stadt können heute noch gar nicht bewältigt werden. Wenn wir davon ausgehen, daß diese Stadt innerhalb der nächsten fünf bis sechs Jahre einen Zuwachs von über einer Million Menschen haben wird, frage ich mich, wie wir diese Probleme lösen wollen. Und zusätzlich wollen wir dort einen Regierungs- und Parlamentssitz errichten? Wie soll das gehen? Das geht nur, indem wir dafür eine Vorrangstellung einräumen, und dann schaffen wir neue Privilegien; denn wir müssen Parlament und Regierung bevorteilen, weil wir für die sozial Schwächeren dann kein Geld mehr haben, da wir erst repräsentative Bauten errichten müssen. Diese Problematik habe ich 40 Jahre erlebt und kann dem deshalb nicht zustimmen. Fazit -- das rote Lämpchen leuchtet -: Wir haben eine Hauptstadt; so steht es im Einigungsvertrag. Sie soll Deutschland für Deutschland und Europa repräsentieren. Wir haben Bonn, von dem über 40 Jahre eine gute Politik für Deutschland und für Europa ausgestrahlt hat und das auch für den DDR-Bürger ein Symbol für Frieden und Freiheit gewesen ist, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) nämlich zu der Zeit, als wir nur aus unserem Kämmerlein heraus die Bundestagsdebatten am Fernseher verfolgen konnten. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege Schwalbe, kommen Sie bitte zum Schluß! Clemens Schwalbe (CDU/CSU): Ja. -- Darüber hinaus haben wir fünf neue Bundesländer, die auf eine Signalwirkung warten. Und die Signalwirkung heißt: Oberste Bundesbehörden in alle Länder und nicht nur nach Berlin. Deshalb der Vorschlag: Stimmen Sie der Bundeslösung zu. Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster hat der Kollege Konrad Weiß das Wort. |