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Umsetzung der Bahnreform:
Fahrt in eine goldene Zukunft?
Mit der "Vision Bahn 2020" hat sich die Deutsche Bahn AG hehre Ziele gesetzt. Die Zahl der Fahrgäste soll sich in 15 Jahren von heute 1,7 Milliarden auf drei Milliarden fast verdoppeln. Eine ähnliche Entwicklung erwartet Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig bei Güterverkehr. Erreicht werden soll das mit einer "Qualitätsoffensive". Nah-, Fern- und Regionalzüge sind dann mit Klimaanlagen, rollenden Supermärkten und TV-Nachrichten auf Kleinbildschirmen ausgerüstet. Selbstverständlich können Pendler ausgiebig auf dem Weg zur Arbeit frühstücken. Chipkarten – etwa integriert in Armbanduhren – erfassen die gefahrenen Kilometer und machen so den Fahrscheinkauf überflüssig. Am Monatsende bucht die Bahn die Fahrkosten vom Girokonto ab. Die Fahrzeiten werden deutlich verkürzt: Berlin-München auf drei Stunden und 30 Minuten, Hamburg-Köln auf zwei Stunden.
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Bahnhof Frankfurt am Main. |
Noch allerdings sieht die Wirklichkeit anders aus. Jüngste Umfragen zeigen, dass die Kunden mit der Bahn nicht zufrieden sind. Sie nennen als Gründe Verspätungen im Fernverkehr, überfüllte Waggons, schmutzige Bahnhöfe und als zu hoch empfundene Fahrpreise. Nur etwa die Hälfte der Deutschen nutzt die Bahn.
Das soll anders werden, versichert die Deutsche Bahn AG. Mit fast 100 Milliarden Mark sollen die größten Übel in den kommenden fünf Jahren beseitigt werden, kündigt das Unternehmen an: die über 2.000 Langsamfahrstellen mit veralteten Gleisanlagen, die schon fast regelmäßigen Verspätungen, die unmodernen Waggons, die unfreundlichen Bahnhöfe. Der Sanierungsrückstand soll also aufgeholt werden.
Der Bund hat der Bahn in den vergangenen fünf Jahren jährlich zwischen 5,7 und 7,2 Milliarden Mark an Zuschüssen für die Verbesserung der Infrastruktur gegeben und will diese Mittel in den Jahren 2001 bis 2003 auf durchschnittlich 8,8 Milliarden Mark pro Jahr steigern. Die Bahn selbst bringt zusätzlich pro Jahr 300 Millionen Mark für diesen Zweck auf.
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Schienengelände des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Hier plant die Bahn Milliarden-Investitionen. |
Die Modernisierung der 38.000 Kilometer Schienenwege ist Voraussetzung für künftige Erfolge: Während sich Fracht im Güterzug mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 18 km/h über die Schienen quält, schaffe sie im Lkw immerhin 65 km/h, klagte Bodewig jüngst.
Eine Bestandsaufnahme der Bahnreform von 1994, die von Beginn an auf zehn Jahre angelegt war, zeigt Plus- und Minuspunkte:
1) Die von den Gutachtern der damaligen Regierungskommission vorhergesagten positiven finanziellen Wirkungen wurden deutlich übertroffen. So schätzten die Gutachter, dass die Bahnreform zwischen 1994 und 1999 den Bund und damit die Steuerzahler um rund 50 Milliarden Mark entlasten wird.
2) Im selben Zeitraum hat die Bahn ihre Produktivität um 113 Prozent erhöht. Dadurch konnte sie die rückläufigen Altlastenzuschüsse des Bundes und den gestiegenen Abschreibungsaufwand weitgehend auffangen. Dies wurde durch einen erheblichen Personalabbau von 355.363 (Ende 1993) auf 241.638 (Ende 1999) ermöglicht. Heute hat die Bahn nur noch 220.000 Beschäftigte. Die Mitarbeiterzahl soll bis 2004 um weitere 50.000 verringert werden. Denn noch immer reicht die Produktivitätssteigerung nicht aus, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die Wertschöpfung der Bahnmitarbeiter ist derzeit geringer als der Personalaufwand.
3) Ein zentrales Ziel der Reform ist aber nicht erreicht worden: Die Bahn AG hat es nicht geschafft, ihre Anteile am Gesamtverkehr zu steigern, sondern nur in etwa zu halten. Im Güterverkehr sank ihr Anteil (1993 bis 1999) von 17 auf 16 Prozent, im Personenverkehr stieg er von 7 auf 8 Prozent, während der größte Konkurrent, nämlich die Straße, ihren Anteil insgesamt weiter steigern konnte. Im vergangenen Jahr legte die Bahn allerdings kräftig zu: Beim Güterverkehr um 12,8 Prozent auf 80,6 Milliarden Tonnenkilometer, beim Personenverkehr um 2,1 Prozent. Vermutliche Gründe sind die Ökosteuer und drastisch steigende Benzinpreise, die den Umstieg auf die Bahn begünstigten. Aus ökologischen Gründen und zur Vermeidung von Verkehrsinfarkten auf der Straße gilt aber eine spürbare höhere Verlagerung von Verkehrsanteilen auf die Schiene als unerlässlich.
4) Noch immer gibt es Wettbewerbsnachteile der Bahn gegenüber den anderen Verkehrsträgern sowie ausländischen Bahngesellschaften. Seit der Bahnreform muss die Deutsche Bahn AG – ebenso wie ihre rund 200 meist kleinen Konkurrenten auf dem liberalisierten Schienennetz – eine entfernungsabhängige Trassengebühr bezahlen. Für einen Güterzug von Hamburg nach Frankfurt/Main wird nach Angaben der Bahn etwa 2.500 Mark bezahlt. Mit der Lkw-Vignette zum selben Preis schaffe ein Lkw mit selber Frachtmenge dagegen 120.000 km. Und im Gegensatz zum Straßenverkehr muss die Deutsche Bahn für Wartung und Instandhaltung ihres Fahrweges selbst aufkommen. Die Bundesregierung plant deshalb eine Lkw-Maut von etwa 30 Pfennig. Nachteile hat die Deutsche Bahn gegenüber vielen ausländischen Bahnen bei der Belastung mit Mineralöl- und Mehrwertsteuer sowie durch die Tatsache, dass zahlreiche EU-Länder ihr Schienennetz noch nicht für Konkurrenten geöffnet haben.
5) Die "Entstaatlichung" der Bahn und die organisatorische Neugestaltung ist weitgehend abgeschlossen. Unerledigt sind noch zwei zentrale Vorhaben: Der Gang an die Börse – und damit die Teilprivatisierung der bisher voll im Besitz des Staates befindlichen Aktien – sowie die Phase drei der Bahnreform. Nach der Umwandlung der Deutschen Bahn und der Reichsbahn der DDR in die Bahn AG sowie der Regionalisierung des Nahverkehrs wurden 1999 als zweite Phase selbstständige Aktiengesellschaften für die einzelnen Sparten gegründet, für die Fahrwege, die Personenbahnhöfe, den Fern-, Nah- und Güterverkehr. In einem dritten Schritt, der zeitlich nicht festgelegt wurde, können (aber müssen nicht) diese Aktiengesellschaften rechtlich und organisatorisch selbstständig werden. Dafür könnte die Bahnholding aufgelöst werden. Man könnte auch nur einzelne AGs aus der Obhut der Bahn-Holding herauslösen. Darum geht es in der aktuellen Diskussion über die Ausgliederung des Schienenweges.
Der Gang an die Börse dürfte noch auf sich warten lassen. Die Deutsche Bahn AG muss auf absehbare Zeit in schwarze Zahlen fahren, um das Vertrauen der Anleger gewinnen zu können.
Im vergangenen Jahr erzielte die DB AG nach einer vorläufigen Ergebnisrechnung einen Überschuss von 390 Millionen Mark bei einem internen Umsatzzuwachs auf 30,3 Milliarden Mark (+ 4,1% ). Aber die mittelfristige Finanzplanung weist für die Jahre 2001 bis 2003 ein Defizit von zusammen knapp 2,3 Milliarden Mark aus. Erst danach soll es wieder aufwärts gehen. 2004 hofft das Unternehmen auf einen Gewinn von 730 Millionen Mark, der schon ein Jahr später auf 1,9 Milliarden Mark hochschnellen soll. Die Befürchtung von Bahnchef Hartmut Mehdorn, dass die Bahn bis 2005 die Gewinnprognosen des Jahres 1999 um 20 bis 30 Milliarden Mark unterschreiten wird, dürfte sich damit nicht bewahrheiten. Die Gewinnerwartungen werden nach den neuen Zahlen "nur" um etwa 13 Milliarden Mark verfehlt. Die Finanzsituation der DB AG dürfte sich aber durch die weitere Schließung unrentabler Strecken sowie den geplanten Personalabbau langfristig verbessern.
Die von Bundesverkehrsminister Bodewig angekündigte Unabhängigkeit von Netz und Betrieb, so befürchtet Mehdorn, könnte die Börsenfähigkeit des Unternehmens negativ beeinflussen. Nur die Herrschaft über Betrieb und Netz verspricht nach Ansicht der Bahn und der Bahngewerkschaft Transnet gute Renditen und guten Service. Auch technisch sei die Einheit nötig. Wo täglich fast 38.000 Züge rollten, mehr als vier Millionen Kunden reisten und fast eine Million Tonnen Güter befördert würden, habe die Logistik einen besonders hohen Stellenwert. Bei neuen Zug- und Signalsystemen sei zudem "das Zusammenspiel von Netz und Betrieb unerlässlich".
Inzwischen grübelt eine Arbeitsgruppe des
Bundesverkehrsministeriums über die Zukunft von Netz und
Betrieb. Mehr Wettbewerb auf der Schiene ist dabei das
parteiübergreifende Ziel. Man erhofft sich dadurch schnellere
Sanierung auch der Bahn durch verstärkte Konkurrenz.
Axel Brower-Rabinowitsch
Mehr Wettbewerb
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Iris Gleicke, SPD, iris.gleicke@bundestag.de |
Der Schienenverkehr ist unverzichtbarer Bestandteil im Mobilitätskonzept der SPD. Denn wenn die Funktionsfähigkeit unseres Gesamtverkehrssystems auf Dauer gewährleistet bleiben soll, müssen Teile der prognostizierten Verkehrszuwächse auf die Schiene. Gelingen kann dies nur, wenn die Bahn leistungsfähiger und kundenfreundlicher und der Verkehrsträger Schiene insgesamt gestärkt wird.
Die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Schienenverkehr müssen deshalb konsequent verbessert werden. Nach Jahren kontinuierlicher Mittelkürzungen haben die Investitionen in die Schiene seit dem Regierungswechsel wieder ein hohes Niveau erreicht, zusätzliche Milliarden wurden zur Verfügung gestellt. Das Bestandsnetz wird modernisiert, Engpässe werden beseitigt, Aus- und Neubauprojekte können begonnen oder fertiggestellt werden.
Selbstverständlich müssen die bestehenden Wettbewerbsnachteile für den Schienenverkehr beseitigt werden, z.B. durch die entfernungsabhängige Maut für schwere Lkw ab 2003. Aber auch auf der Schiene selbst müssen faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden, um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Voraussetzung hierfür ist die Neutralität des Schienennetzes, die allen Anbietern den diskriminierungsfreien Zugang zum Netz sowie die Gleichbehandlung bei Trassenvergabe und Trassenpreisen ermöglicht. Die Schaffung einer durchsetzungsfähigen Wettbewerbsaufsicht ist ein erster Schritt in diese Richtung. Wie die Unabhängigkeit des Netzes dauerhaft erreicht werden kann und welche Strukturen und Organisationsformen hierfür geeignet sind, prüft derzeit ergebnisoffen eine Arbeitsgruppe, die von der Bundesregierung eingerichtet worden ist. Im kommenden Herbst werden erste Ergebnisse vorliegen. Die Weichen für die Bahn der Zukunft sind gestellt.
Schwung für die Schiene
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Dirk Fischer, CDU/CSU, dirk.fischer@bundestag.de |
Die Schaffung der Voraussetzungen für Wettbewerb konkurrierender Unternehmen auf der Schiene ist die Schicksalsfrage der Reform des deutschen und europäischen Eisenbahnwesens. Um die Investitionsbereitschaft in das System Schiene zu mobilisieren, ist ein lebendiger Wettbewerb unumgänglich, in dem Unternehmen die Kunden mit marktgängigen Angeboten zufrieden stellen. Dieses Ziel ist nur durch die konsequente Trennung von Netz und Betrieb erreichbar. Der Fahrweg muss dabei als organisationsprivatisierte Netz AG staatlicher Verantwortung unterliegen. Ein diskriminierungsfreier Netzzugang ist erst gewährleistet, wenn die unverändert monopolistische DB AG keine hausgemachten Vorteile bei Trassenpreisen und Netzzugang gegenüber den konkurrierenden Wettbewerbern mehr haben wird. Der Bund muss zudem die erforderlichen Investitionsmittel für die Sanierung und Modernisierung der Schieneninfrastruktur bereitstellen und bei der Gestaltung künftiger Organisationsstrukturen dafür Sorge tragen, dass das Eisenbahn-Bundesamt keine konkurrierenden Interessenbereiche unter dem Dach einer Behörde vereinigt.
Die Bahnreform ist in dieser kritischen Phase ordnungspolitisch sauber fortzuführen. Unsere Schienenverkehrspolitik muss fortan zwischen dem System Schiene und den privaten Betriebsgesellschaften unterscheiden. Der Staat muss die richtigen Rahmenbedingungen für das System Schiene bereithalten und der Sanierungsfall DB AG muss als eine der Betriebsgesellschaften seine Restrukturierungsaufgaben erfüllen.
Nur wenn wir diese Anforderungen erfüllen, kann der Verkehrsträger Schiene im nationalen Verkehrsmarkt und auch in Europa den Anteil am Verkehrsaufkommen zurückgewinnen, den wir für eine berechenbare, dynamische und erfolgreiche Verkehrspolitik im 21. Jahrhundert dringend benötigen.
Gegen Netzmonopolisten
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Albert Schmidt, B'90/Die
Grünen, albert.schmidt@bundestag.de |
Ein zentraler Grundsatz für die Weiterentwicklung der Bahnreform ist die Unabhängigkeit des Netzes: Die Verfügung darüber sollte auf Dauer nicht in der Hand eines Unternehmens liegen, das – wie die DB – selbst größter Nutzer ist. Der faire Wettbewerb auf der Schiene verlangt, dass die Nutzung der Infrastruktur für alle zu denselben Bedingungen erfolgt.
Dazu muss das Netz unternehmerisch unabhängig von den Verkehrsbetrieben der DB werden, d.h., die DB AG sollte nicht Schiedsrichter und Spieler im selben Spiel sein. Die Task-Force-Arbeitsgruppe sollte für eine klare Rollenverteilung sorgen und die Eigentümer Verantwortung für das Netz dauerhaft Bund bzw. Ländern übertragen. Zum Zweiten sollte eine Managementebene die politisch gewünschte Netzentwicklung konkretisieren, dem Parlament einen jährlichen Netzzustandsbericht vorlegen und für faire Trassenpreise und fairen -zugang sorgen. Die Bewirtschaftung des Netzes selbst sollte im Auftrag und per Vertrag an Infrastrukturunternehmen vergeben werden. Als wichtigster Auftragnehmer kommt dafür sicherlich zunächst DB Netz in Frage, das über eine Trassenbörse für Güter- und touristische Züge für zusätzliche Einnahmen sorgen kann. DB Netz würde damit vom heutigen Monopolisten zu einem echten Infrastrukturunternehmen.
Die Finanzierung des Netzes sollte künftig auf zwei Säulen ruhen. Die Grundfinanzierung von Neu- und Ausbau muss auch weiterhin durch den Staat erfolgen, die Nutzerfinanzierung durch Trasseneinnahmen den Unterhalt des Bestandsnetzes sichern. Eine solche unternehmerische Entflechtung von Netz und Betrieb ist allerdings kein Allheilmittel. Voraussetzungen für den Erfolg einer solchen Strukturreform sind die konsequente Sanierung des Netzes durch den Bund und die Herstellung von Chancengleichheit gegenüber dem Straßenverkehr.
Reform weiterführen
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Horst Friedrich, F.D.P., horst.friedrich@bundestag.de |
Die F.D.P.-Bundestagsfraktion spricht sich dafür aus, die Bahnreform fortzusetzen. Dabei ist vor allem die Netz AG aus dem Konzern DB AG herauszulösen und der restliche Konzern aufzulösen und zu privatisieren.
Wir wollen den europäischen Eisenbahnverkehr liberalisieren. Das europäische Schienennetz ist ab sofort für alle in der EU zugelassenen Eisenbahnunternehmen zu öffnen. Die erste Etappe der Strukturreform der Eisenbahnen hat mit der bestehenden Holding-Struktur der DB AG Anfang 1999 ihren Abschluss gefunden. Die mit der Reform geplanten Ziele wurden zu einem großen Teil erreicht. Die Bahnreform darf nun nicht stecken bleiben, sondern muss weitergeführt werden.
Der nächste Schritt muss sich auf die notwendige materielle Privatisierung und zusätzliche Maßnahmen zur Liberalisierung des Wettbewerbs auf der Schiene konzentrieren. Die DB AG zeigt nach wie vor monopolartiges Verhalten im Schienenverkehr. Ihr Anteil am Verkehrsaufkommen sinkt.
Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr hat im November 1997 aufgezeigt, welche weitere Entwicklung die Bahnreform zu nehmen hat. Er hat empfohlen,
- die Netz- und die Betriebsgesellschaften zu
trennen, um die Diskriminierungspotenziale zu Lasten Dritter zu
verringern, und auch die Betriebsgesellschaften nicht im
Unternehmensverbund zu führen, weil dann der Wettbewerb um
knappe Trassenzugänge zu Lasten der Marktstellung des
Netzbetreibers behindert wird.
Dieser Empfehlung ist zu folgen. Je zügiger die Prozesse in Gang gesetzt werden, desto besser für den Schienenverkehr und die Kunden. Die Schiene wird ihre Leistungsfähigkeit nur steigern und an Attraktivität gewinnen, wenn sich zukünftig viele Unternehmen im Wettbewerb um den potenziellen Eisenbahnkunden bemühen.
Chance durch Trennung
Winfried Wolf, PDS,
winfried.wolf@bundestag.deGrundsätzlich ist eine Trennung von Schiene und Netz zu begrüßen; sie wird seit mehr als zwei Jahrzehnten von fortschrittlichen Verkehrsexperten gefordert.
Mit ihr würde strukturell eine Gleichstellung der Schiene mit Binnenschifffahrt, Straßenverkehr und Luftfahrt, bei denen die Infrastruktur immer bei Bund (und/oder Ländern) liegt, erfolgen. Im Rahmen der konkreten Verkehrspolitik der Bahnprivatisierung macht diese Trennung jedoch nur Sinn, wenn vier Voraussetzungen erfüllt werden:
- Die Infrastruktur (Trassen und Bahnhöfe) müsste in staatlicher Hand bleiben – ähnlich den Binnenwasserstraßen.
- Die dauerhafte Finanzierung der Infrastruktur (Erhalt und Ausbau) ist gesetzlich zu gewährleisten.
- Die Trassenentgelte sind generell zu senken. Darüber hinaus muss ihre Struktur so geändert werden, dass Schienenverkehr auf Nebenstrecken und im Nahverkehr gefördert und nicht behindert wird.
- Unterhalt der Infrastruktur und Schienenverkehr (Betrieb) müssten, wie in Frankreich, in Verantwortung der entscheidenden Betreibergesellschaft des jeweiligen Netzes erfolgen. Damit wäre dem Einwand hinsichtlich einer Gefährdung der Sicherheit Rechnung getragen.
Die Trennung bezöge sich dann vor allem auf den Eigentumstitel und ermöglichte, dass im Rahmen der Bahnprivatisierung nicht auch noch Grund und Boden unter den Hammer kommen.
Grundsätzlich wäre eine solche Neustrukturierung eine Chance, endlich mit dem "Vorrang Schiene" Ernst zu machen. Doch die Art, wie der Vorschlag derzeit vorgetragen wird, lässt anderes befürchten: Die Deutsche Bahn AG soll um die schlecht vermarktbaren Trassen erleichtert und dann umso schneller an die Börse gebracht werden. Dieser Weg der Privatisierung war und ist der Weg auf den Prellbock.
Internet
Detailliertes Informationsmaterial zur 1. und 2. Stufe Bahnreform kann gelesen oder heruntergeladen werden unter:
www.bahn.de/konzern/uebersicht/holding/die_bahn_bahnreform.shtml