Wann war’s – wer war’s?
Gewinnen Sie eine Reise nach Berlin!
Der amerikanische Historiker Michael S. Cullen erinnert in jeder Ausgabe an eine Episode der Reichstagsgeschichte. Wir stellen am Ende des Artikels eine Frage. Die Antwort schicken Sie als Fax, E-Mail oder per Postkarte an: Media Consulta Deutschland GmbH, Wassergasse 3, 10179 Berlin, Fax: (030) 65 000-190, E-Mail: blickpunkt@media-consulta.com. Einsendeschluss ist der 24. März 2003. Unter den richtigen Einsendungen werden fünf Preise verlost. Der Hauptgewinn ist eine Reise für zwei Personen nach Berlin. Die Lösung unseres Rätsels in Heft 1/03 lautet: Das Reichstagsgebäude wurde 1894 fertig gestellt. Eine Reise nach Berlin hat Bertwin Kühlmann aus Bad Driburg gewonnen.
„Saubengels“ und andere Journalisten
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Michael S. Cullen. | ||||||||||
Reibereien zwischen Medienvertretern und Politikern haben bereits eine über 100-jährige Tradition. Politiker fühlen sich oft missverstanden, Journalisten denken, sie würden hinters Licht geführt. Manchmal fällt dann auch eine grobe Formulierung. Einmal in der Geschichte des Reichstages erzürnte eine solche Bemerkung eines Politikers die Parlamentsberichterstatter so sehr, dass sie in den Streik traten.
Eigentlich war das Verhältnis zwischen Parlamentariern und Journalisten vor rund 100 Jahren gar nicht so schlecht. Viele Politiker waren selbst Journalisten – oft von Parteizeitungen.
Ein gutes Zeichen für das Verhältnis von Presse und Reichstag war es auch, dass seit 1899 der Verein der Berliner Presse sein alljährliches Wohltätigkeitskonzert im Reichstag geben durfte und in dem Gebäude auch wiederholt Pressefeste ausgerichtet werden konnten. Der Andrang war zeitweise so groß, dass, wie eine Zeitung schrieb, „selbst Staatssekretäre und Bürgermeister stehen” mussten.
Weniger zufrieden waren die Journalisten mit der Pressetribüne im Wallot-Bau, wo ihnen buchstäblich Hören und Sehen verging. Auf den Pressetribünen zur Linken des Präsidenten waren die Reden für die Zeitungsleute schlecht zu verstehen. Unzufrieden waren die Leute von der Presse auch, dass sie von den Abgeordneten ferngehalten wurden, und zwar durch separate Speiseräume sowie eigene Flure und Treppen.
Solche Unzulänglichkeiten waren aber wohl kaum der Grund dafür, dass es 1908 zum Eklat kam.
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Karikatur des "Simplicissimus". | ||||||||||
Aber was war der Anlass? Der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger sprach am 19. März in einer Kolonialdebatte lebhaft über die „Bedeutung der unsterblichen Seele des Negers” und warnte davor, „die Eingebornen in der kolonialwirtschaftlichen Bilanz lediglich als Zahlen einstellen zu wollen“. Als auf der Journalistentribüne darüber laut gelacht wurde, erhob sich der Führer des Zentrums, Adolf Gröber, und sagte: „Das sind wieder oben die Journalisten, die Saubengels, die mich schon neulich gestört haben.”
Daraufhin verließen die Zeitungsleute geschlossen ihre Tribüne. Sie verlangten eine förmliche Entschuldigung. Solange die nicht vorliege, würden sie die Sitzungen des Reichstages boykottieren. Der erste und bisher einzige Streik der Parlamentsberichterstatter in Berlin hatte begonnen.
Nun wollte aber Reichskanzler Bernhard von Bülow eine wichtige außenpolitische Rede halten und sichergehen, dass darüber auch berichtet wurde. Er intervenierte also bei Gröber und veranlasste ihn, am 24. März im Reichstag eine Erklärung abzugeben.
Gröber ging noch einmal auf die Sitzung vom 19. März ein. Er habe den Eindruck gewonnen, es handle sich um „eine Verhöhnung des Inhalts der Ausführungen des Redners“. Auch früher hätten die Journalisten schon Sitzungen gestört. „Wenn ich, in Erinnerung an diese Vorgänge der letzten Zeit und angesichts des Ernstes der von dem Redner behandelten Frage meiner Entrüstung über das Gelächter einen unparlamentarischen Ausdruck gegeben habe, so bitte ich um Entschuldigung.“ Das von den Presseleuten erwartete Wort „Entschuldigung“ war gefallen. Der Streik wurde noch am selben Abend abgeblasen.
Unsere Preisfrage: Welches Regierungsamt bekleidete Erzberger in der Weimarer Republik?