Ich habe ein Kind!" Ein einfacher Satz, und dennoch immer noch in manchen Sphären so etwas wie eine kleine Revolution. Auf dem prominent besetzten Podium findet eine Art Outing statt - eines, das auf skurrile Art und Weise an ein anderes erinnert: "Ich habe abgetrieben!", hieß es 1971, als in der Öffentlichkeit stehende Frauen gezielt nach draußen trugen, was damals noch handfester Skandal und außerdem verboten war. Nun ist der Internationale Frauentag 2006 und in der Berliner Friedrichstraße kommen an diesem 8. März Frauen zusammen, die sich das immer noch Unmögliche getraut haben: Kinder zu bekommen UND Karriere zu machen, Mütter zu sein UND zugleich in einer Führungsposition zu arbeiten.
Moderiert wird das Gespräch auf Einladung der Bertelsmann-Stiftung und des Bundesfamilienministeriums von der Journalistin und Mutter Amelie Fried. Und wer die Erfolgreichen auf dem Podium so reden hört, bekommt tatsächlich den Eindruck, sie hätten etwas Unerhörtes getan. Von einem "Tabubruch" spricht die ehemalige MTV- und 9Live-Führungsfrau Christiane zu Salm, als sie gefragt wird, warum sie sich für ein Buch unter dem Titel "Die Unmöglichen" - gemeint sind Mütter, die Karriere machen - hat porträtieren lassen: "Ich wollte zeigen, dass es doch geht." Margot Kässmann, Landesbischöfin von Hannover und Mutter von vier Töchtern, will Frauen, die Kinder wollen, "Mut machen". Und die Professorin für Molekulargenetik, Constance Scharff, fühlte sich nach Jahren in den USA und Frankreich mit ihren zwei Kindern in Berlin von ihren Nachbarn schief angeguckt: "Was macht denn diese Frau mit dem Kinderwagen hier?"
Wer jetzt den Kopf schüttelt und das alles für Frauentags-Propaganda hält, dem sei ein Blick in die einschlägige Statistik empfohlen. Nirgends auf der Welt ist die Kinderlosigkeit so verbreitet wie unter deutschen Frauen, die nicht nur in der Familie, sondern auch im Beruf erfolgreich sein wollen. 40 Prozent der Akademikerinnen zwischen 35 und 39 Jahren haben keine Kinder. Auf der anderen Seite sind Frauen in den oberen Etagen deutscher Unternehmen immer noch unterrepräsentiert. Weniger als jede zehnte Führungsposition hat eine Frau inne; C4-Professuren: dito! Und ganz oben, in den Vorständen der 30 deutschen Dax-Unternehmen findet sich genau: eine Frau.
Erste Frau im Vorstand der Bertelsmann-Stiftung war Liz Mohn, heute stellvertretende Vorsitzende. Gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) präsentierte sie in Berlin nicht nur das Buch "Die Unmöglichen", sondern auch Beweismaterial dafür, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwierig, aber nicht unmöglich ist. "Karrierek(n)ick Kinder" heißt eine Studie, für die rund 500 weibliche Führungskräfte befragt wurden. "What makes them tick?" wollten die Forscherinnen der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft von erfolgreichen Frauen wissen und fanden heraus: Die Führungsfähigkeit hat sich durch Kinder sogar verbessert. Die meisten sagten nicht nur, dass effizientes Zeitmanagement das A und O sei, sondern auch, dass sie in der Familie vieles für den Beruf gelernt hätten: Konfliktlösung, Delegieren von Aufgaben, Teamfähigkeit. Dieses Resümee haben die Forscherinnen zum Untertitel ihrer Studie erhoben: "Mütter in Führungspositionen - ein Gewinn für Unternehmen".
Die meisten der 500 befragten Frauen gaben außerdem als wesentlich für ihren Erfolg an, dass ihnen in ihrer Doppelbelastung von einem auch in der Familie aktiven Partner der Rücken freigehalten wird. "Zur Kindererziehung gehören zwei", konstatierte Ministerin von der Leyen, "wir brauchen nicht nur engagierte Frauen in Familie und Beruf. Wir brauchen auch engagierte Väter! Und eine neue Kultur in den Führungsetagen: hin zu familienfreundlichen Arbeitsbedingungen." Und vielleicht auch eine familienfreundlichere Bundesregierung?, fragte einer. Von der Leyen verwies auf Erfolge - auf das geplante Elterngeld und die bessere steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Weiteren Handlungsbedarf stellte sie nicht in Abrede: Die bestehende "strukturellen Rücksichtslosigkeit gegenüber Eltern und Alleinerziehenden" gehöre abgeschafft; Kinderbetreuung dringend ausgebaut und auch die Halbtagsschule als eltern- und bildungsfeindliches Modell überdacht: "Nach einem halben Tag schließt die Entdeckerwerkstatt Schule - irgendwer, im Zweifel die Mütter, wird den Nachmittag schon organisieren." Daran, dass Unternehmen wie Politik gar nichts anderes übrig bleibt, als die Vereinbarkeit von Job und Familie zu fördern, ließ die Ministerin keinen Zweifel. Die sinkende Geburtenrate von zurzeit 1,3 Kindern pro Frau spricht eine deutliche Sprache; ebenso die in Deutschland ebenfalls niedrige Frauen-Erwerbsquote von 67 Prozent. Letztere, sagte die Ministerin, sei angesichts der ständig steigenden Bildungsbeteiligung von Frauen bestimmt kein Dauerzustand - aber was passiert dann mit der Geburtenquote? Von der Leyen: "Die Frauen werden arbeiten. Die Frage ist, ob sie dann noch Kinder kriegen."