Journalisten in China leben gefährlich. Nur Bergleute und Polizisten müssen noch mehr um ihr Leben fürchten, meldete vor kurzem die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua und bestätigte, dass Reporter einer der drei gefährlichsten Berufe im Reich der Mitte ist. Gewalt gegen Journalisten nimmt in China sehr zu, seit sich die Medien stärker am Markt und an den Interessen ihres Publikums orientieren und auch Korruptions- und Verbrechensfälle aufgreifen. Dass dies lebensgefährlich sein kann, zeigt der Fall eines Zeitungsredakteurs in Taizhou. Er wurde im Februar von lokalen Verkehrspolizisten zu Tode geprügelt, weil er in einem Artikel deren korrupte Praktiken enthüllt hatte.
Zwar ist Selbstjustiz auch in China strafbar, doch Enthüllungsjournalismus wird von der kommunistischen Zentralregierung nur in engen Grenzen geduldet, denn von Transparenz und Pressefreiheit hält sie etwa so viel wie der Papst von der Antibabypille. Das Propagandabüro des Staatsrates kontrolliert eine Liste von Themen, über die nicht berichtet werden darf, und gibt sie an die staatlichen Presseorgane weiter. Das betrifft nicht nur Tabuthemen wie Falun Gong oder den Dalai Lama, damit wird auch jede allzu sozialkritische Berichterstattung unterbunden.
2006 war ein besonders schlechtes Jahr für mutige chinesische Journalisten. Im Januar wurde der "Gefrierpunkt" eingestellt, die Wochenbeilage der "China Jugendzeitung", einer der beliebtesten Publikationen des Landes mit einer halben Million meist junger Leser. Zu frech, zu viele kritische Artikel: Chefredakteur Li Datong verlor seinen Job, weil er sich gegen Pläne wehrte, eine Art Bonussystem für besonders willfährige Journalisten einzuführen. Im September kündigte Chinas Führung hohe Strafen für Richter und Justizbeamte an, die Informationen an Reporter weitergeben. Seit dem Sommer berät der Nationale Volkskongress, das chinesische Parlament, über eine geplante Gesetzesänderung, die die Berichterstattung in Katastrophenfällen neu regelt.
Künftig sollen die Journalisten nur das melden dürfen, was die kommunistische Propaganda ihnen vorschreibt. Verboten sind Augenzeugenberichte, Interviews mit Betroffenen, Recherchen über die Reaktionen der örtlichen Behörden. Wer sich nicht an diese Vorschriften hält, muss mit Geldstrafen zwischen 50.000 und 100.000 Yuan (5.000 bis 10.000 Euro) rechnen. Ein "klarer Einschüchterungsversuch", urteilt nicht nur der Medienforscher Zhan Jiang. Die "Südliche Metropolen-Zeitung" in Kanton, eine der mutigeren Publikationen des Landes, schreibt: "Nach den neuen Regeln sollen genau die Behörden, die an der Vertuschung von Unglücksfällen beteiligt sind, die Medien für deren Aufdeckung bestrafen dürfen. Ist das nicht absurd?"
Doch im jüngsten kommunistischen Zensurerlass vom September 2006 wird auch der Informationsfluss von außen weiter beschränkt. So dürfen Nachrichten aus dem Ausland ausschließlich über die Staatsagentur Xinhua verbreitet werden. Die kontrolliert und filtert daraus Verbotenes wie Nachrichten, die Chinas "staatliche Sicherheit, Ansehen und Interessen gefährden". Der Sprecher des Außenministeriums rechtfertigte das als "rechtsstaatlich", und Xinhuas Präsident Tian Congmin versuchte gar nicht erst, die bewusst schwammigen Formulierungen zu präzisieren. Es sei "ganz einfach", sagte Tian, "Journalisten dürfen bei uns nur berichten, was legal ist. Ihre Rolle ist es, die Harmonie in der Gesellschaft zu fördern."
Wer diese Harmonie stört, bedroht die Herrschaft der Kommunistischen Partei und wird erbarmungslos verfolgt. Mindestens 32 Journalisten sitzen nach Informationen der Organisation "Reporter ohne Grenzen" in chinesischen Gefängnissen, dazu mehr als 50 Internet-Dissidenten. Ende November wurden zwei Urteile bestätigt, die jeweilige Berufung abgewiesen. Der Hongkonger Journalist Ching Cheong, Korrespondent der "Straits Times" aus Singapur, wurde in einem geschlossenen Verfahren zu zehn Jahren Haft wegen Spionage verurteilt. Gegen den Reporter Zhao Yan, der als Assistent für die "New York Times" arbeitete, waren selbst die fabrizierten Beweise so dünn, dass die Pekinger Richter den Fall an die Staatsanwaltschaft zurückverwiesen. Trotzdem musste Zhao wegen Betrugs drei Jahre ins Gefängnis. Beide hatten Geschichten über ranghohe kommunistische Parteiführer recherchiert.
Auch ausländische Korrespondenten werden bisher streng kontrolliert. Ihre Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt, weil jede Recherchereise, jedes Interview von den kommunistischen Behörden vorab genehmigt werden muss. Wer ohne Genehmigung erwischt wurde, sah sich zähen Verhören lokaler Behörden ausgesetzt, immer wieder wurde Recherchematerial vernichtet.
Unter starkem internationalem Druck hat Pekings Führung die Zensurbestimmungen nun gelockert, zumindest für eine befristete Zeit. Ab 1. Januar 2007 dürfen ausländische Journalisten in China weitgehend frei reisen und brauchen nur noch die Zustimmung ihres Interviewpartners, keine offizielle Genehmigung mehr, verkündete Liu Jianchao, der Sprecher des Außenministeriums auf einer überraschend einberufenen Pressekonferenz.
Doch die Skepsis ist groß, ob und wie die chinesischen Behörden die neuen Regeln im Zweifel umsetzen. Zudem endet die Lockerung der Zensur nach den Olympischen Spielen im Oktober 2008, was das Ganze auf eine Propagandamaßnahme reduziert. Schließlich will China Olympia zur Aufpolierung seines Images nutzen. Doch Regierungssprecher Liu versuchte solche Bedenken zu zerstreuen. Nichts bleibe ewig, wie es ist, beteuerte er fast prophetisch, China werde sich weiter öffnen und auch in Zukunft "ausländische Journalisten willkommen heißen".