Wirklich knifflige Fragen landen in der EU am Ende immer bei den Staatschefs. Nachgeordneten Ministern gelingt die Einigung nur selten. Umso größer war die Überraschung, dass sich die europäischen Außenminister vergangenen Montag in Brüssel auf eine gemeinsame Haltung zur Türkei verständigen konnten. Auch in der Zypernpolitik kamen sie einen großen Schritt weiter. Sie vermieden so, dass die Türkeifrage ein weiteres Gipfeltreffen in Brüssel dominiert und wieder einmal andere wichtige Themen in den Hintergrund gedrängt hätte. "Die Präsidentschaft begrüßt die positive Antwort der Führer der griechisch-zypriotischen und der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft auf den Brief von UN-Unterhändler Ibrahim Gambari bezüglich der Umsetzung der Vereinbarung vom 8. Juli", heißt es in einer Erklärung der finnischen Ratspräsidentschaft vom Montagabend. Damit könnten die Verhandlungen über eine Wiedervereinigung der Insel unverzüglich wieder beginnen.
Noch bedeutsamer aber ist aus EU-Perspektive, dass die griechischen Zyprioten offenbar ihren Widerstand aufgeben, die Handelsbeziehungen zum türkischen Norden der Insel zu normalisieren. Der Norden hatte im Referendum vom März 2004 für eine Vereinigung mit dem Süden und damit für eine Aufnahme in die EU gestimmt. Das Referendum im Süden war aber negativ ausgefallen. Als Entschädigung für den blockierten Weg nach Europa hatte die EU noch vor dem Beitritt Südzyperns am 1. Mai 2004 finanzielle Fördermittel und eine Direkthandelsverordnung beschlossen, die Nordzypern den freien Warenverkehr mit der Union garantieren sollte. Im Januar 2007, so versicherte der griechisch-zypriotische Außenminister Giorgos Lillikas vor 24 Zeugen, werde seine Regierung der Direkthandelsverordnung zustimmen.
Eine entsprechende Erklärung wurde Montagabend bereits vorbereitet und soll unter deutscher Ratspräsidentschaft verabschiedet werden. Darin werden die 2004 vor dem Beitritt Zyperns von 15 Regierungen zugesicherten Handelserleichterungen für den Norden von allen 25 Ministern der erweiterten EU bekräftigt.
Südzypern argumentiert nämlich nach der gleichen Logik wie die Türkei. Die weigert sich, Waren aus der griechischen Republik Zypern ins Land zu lassen, weil das einer Anerkennung dieses Inselteils als eigenständigem Staat gleichkomme. In letzter Minute hatte Ministerpräsident Erdogan die von der EU-Kommission deshalb vorgeschlagenen Sanktionen abzuwenden versucht. Er hatte die Öffnung eines Flughafens und eines Hafens für griechisch-zypriotische Waren angeboten - allerdings nur mündlich und ohne zuvor seinen Staatspräsidenten und den Armeechef darüber informiert zu haben. Mit diesem Angebot gaben sich die Außenminister nicht zufrieden. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, hatte die EU die Beitrittsverhandlungen über Handelsfragen vergangenen Montag ausgesetzt. Davon sind acht von 35 Politikbereichen betroffen. Ursprünglich war der Rat in dieser Frage gespalten: Während Großbritannien, Spanien, Schweden und Italien nur drei "Kapitel" einfrieren wollten, hätten die Niederlande, Griechenland, Zypern und Österreich am liebsten zehn "Kapitel" auf Eis gelegt.