Fliegen ist seit jeher ein Menschheitstraum. Schon Daedalus und Ikarus konnten der Versuchung, sich wie ein Vogel in die Luft zu erheben, nicht widerstehen. Der unvorsichtige Ikarus bezahlte den Traum mit seinem Leben - so erzählt es die griechische Mythologie. Heute ist Fliegen lange nicht so riskant - dafür aber um so lauter. Jeden Tag nutzen in Deutschland durchschnittlich 400.000 Menschen ein Flugzeug. Allein der Frankfurter Flughafen verzeichnet täglich rund 1.400 Starts und Landungen. Für Anrainer von Flughäfen und Menschen, die in Einflugschneisen wohnen, bedeutet das täglichen Lärm. Damit dieser nicht lebensbestimmend oder gar gesundheitsschädlich wird, sind im Fluglärmgesetz Grenzwerte und Schutzzonen festgelegt - das Gesetz stammt aus dem Jahr 1971. Nach 35 Jahren hat der Bundestag am 14. Dezember mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP gegen die Stimmen von Linken und Grünen eine Novellierung des Fluglärmgesetzes beschlossen. Die Abgeordneten folgten damit einer Beschlussempfehlung des Umweltausschusses ( 16/3813 ), die umfangreiche Änderungen einiger Artikel des ursprünglichen Gesetzentwurfs ( 16/508 ) aus Zeiten der rot-grünen Koalition beinhaltet.
Kern der Novelle des Fluglärmgesetzes ist eine Verschärfung der Grenzwerte in Lärmschutzzonen. Menschen, die in diesen Zonen wohnen, haben Anspruch auf Lärmschutz, der vom Flughafenbetreiber zu gewährleisten ist. Mit der Absenkung der Grenzwerte um zehn bis 15 Dezibel haben mehr Menschen einen solchen Anspruch. Das erneuerte Gesetz schreibt außerdem fest, dass für Flughäfen mit Nachtflugbetrieb erstmals spezifische Nacht-Schutzzonen festgelegt werden müssen und führt einen Maximalpegel ein. Der Lärm wird damit nicht mehr nur im Mittel gemessen, sondern darf bestimmte Spitzenwerte nicht mehr überschreiten.
Die Koalitionsfraktionen werten das überarbeitete Gesetz als Erfolg. Das Fluglärmgesetz sei "nicht nur der kleinste gemeinsame Nenner, sondern ein belastbarer Interessenausgleich" zwischen Flughäfen und Anwohnern, lobte Marko Mühlstein (SPD). Unionskollege Ulrich Petzold ergänzte beschwörend: "Das Ergebnis muss als Erfolg für den Lärmschutz gewertet werden." Sogar die Liberalen, die der Novellierung als einzige Oppositionsfraktion zustimmten, zeigten sich grundsätzlich zufrieden. "Wir hätten uns zwar das ein oder andere mehr gewünscht", gab Michael Kauch (FDP) zu, "im Ergebnis ist das Gesetz aber eine deutliche Verbesserung." Nur Linke und Grüne wollen nicht in den Chor der Zufriedenen einstimmen. Das Gesetz biete lediglich den Flughäfen Schutz vor den Anwohnern und nicht, wie es sein sollte, umgekehrt, kritisierte Lutz Heilmann (Die Linke) und Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, eine Absenkung von Grenzwerten reiche nicht aus: "Wir müssen zu einer regelmäßigen Überprüfung und Anpassung im Sinne der Lärmwirkungsforschung kommen."
Ähnlich unzufrieden mit der Novellierung ist die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF): Die vorgesehenen Grenzwerte für den Einsatz von passivem Schallschutz seien viel zu hoch und befänden sich hart an der Grenze zur Gesundheitsgefährdung. Aktive Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Nachtflugbeschränkungen, seien überhaupt nicht festgeschrieben, klagt die BVF. Die Lärmschützer wollen "die erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken prüfen lassen".
Der Frankfurter Flughafen dagegen ist zufrieden mit der Gesetzeserneuerung. "Wir müssen zwar einige Kröten schlucken, können aber im Großen und Ganzen mit dem Gesetz leben", sagt Unternehmenssprecher Dieter Weirich. Das Gesetz schaffe langfristig Rechtssicherheit für Flughäfen und betroffene Anwohner. Nach ersten groben Kalkulationen rechnen die Frankfurter Flughafenbetreiber damit, dass sie das neue Gesetz mindestens 100 bis 120 Millionen Euro kosten wird.