Größter Verlust der Artenvielfalt seit dem Sauriersterben festgestellt
Berlin: (hib/WOL) Als dramatische Krise der Biosphäre - des gesamten menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens auf der Erde - bezeichnen 12 unabhängige Professoren des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WGBU) die gegenwärtige Auslöschung der Gen- und Artenvielfalt. Den Erkenntnissen zufolge könne die Geschwindigkeit mit der derzeit die Gen- und Artenvielfalt des Planeten vernichtet wird, die krisenhafte Entwicklung, bei der vor 65 Millionen Jahren die Saurier ausstarben, noch übertreffen. Der Bericht über "Welt im Wandel - Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Biosphäre" wurde in Form einer Unterrichtung vorgelegt ( 14/6706). Die Wissenschaftler stellen fest, mit dem Verlust ungezählter Tier- und Pflanzenarten würden genetische und psychologische Baupläne von großem Wert verloren gehen. Betroffen sei nicht allein die wildlebende Fauna und Flora, auch die genetischen Ressourcen landwirtschaftlicher Nutzpflanzen aus jahrhundertealter traditioneller Zucht und Bewirtschaftung, stünden auf dem Spiel. Der feststellbare Gen- und Artenverlust wiege um so schwerer, als es sich um irreversible, also unumkehrbare Vorgänge handele: Verlorenes bleibe verloren, verpasste Chancen kämen nicht wieder.
Hauptverursacher des Artensterbens sei der Mensch, der Landschaften und Ökosysteme weltweit durch Raubbau an Wäldern, durch landwirtschaftliche Nutzung und durch Besiedelung verändere. Ein weiterer dramatischer Eingriff erfolge in den globalen Metabolismus der Biosphäre. So werde etwa die Hälfte der weltweiten Protosyntheseleistungen der Pflanzenwelt beeinflusst und die CO² -Konzentration der Atmosphäre durch den Zivillationsprozess bereits um ein Drittel erhöht. Um die zunehmende Beeinträchtigung der natürlichen Lebensgrundlagen und damit des menschlichen Wohlstandes und Wohlbefindens zu verlangsamen oder zu stoppen, hat der Beirat fünf "biologische Imperative" für die künftige Politikorientierung formuliert. Danach sollen Nutzungsbeschränkungen für Schutzgebiete überregionaler globaler Bedeutung gesichert und Nachhaltigkeitsgrenzen vorhandener, intensiv genutzter Land- und Forstwirtschaftsflächen nicht überschritten werden. Zwei weitere Maßgaben gelten der Sicherung aktueller biologischer Ressourcen zur Erhaltung von Biopotentialen für die Zukunft und der Sicherung von Zonen mit genetisch besonders wertvollen Pflanzen sowie der biologischen Vielfalt der natürliche Ökosysteme in tropischen Wäldern oder Korallenriffen. Der vierte Imperativ gilt der Bewahrung des globalen Naturerbes durch ein Netzwerk von Schutzgebieten für repräsentative Beispiele aller natürlicher Ökosystemtypen. Dazu gehört laut Bericht auch der Schutz von Arten, die sonst keine Überlebenschance hätten.
Mit der Erhaltung der Regelungsfunktionen der Biosphäre soll schließlich eine "globale Leitplanke", die bereits für den Klimaschutz entwickelt worden sei, auf die Biosphäre übertragen und angewendet werden. Die Wissenschaftler erklären, ein weltweit effektives Schutzsystem sei finanzierbar und werde Kosten von jährlich 38 Milliarden DM verursachen. So gelte es, die zwischenstaatliche Zusammenarbeit für biologische Vielfalt zu intensivieren und vor allem Wissensdefizite auszuräumen. der vielleicht wichtigste Aspekt beim Thema Biosphäre sei ein eklatanter Wissensmangel. Nur ein kleiner Teil der Arten sei bislang beschrieben, die Gesamtzahl der Arten weltweit bislang nicht einmal der Größenordnung bekannt und damit der Verlust auf vielerlei Ebenen kaum abzuschätzen.